Sein Interesse galt in dieser Zeit nicht nur der hohen „Domkunst“. Dr. Jakob Torsy entführte seinen Neffen in die Welt der zeitgenössischen Kunst und zog mit ihm von Atelier zu Atelier. Und dort wurde das Fundament gelegt für ein Leben mit und für die Kunst. Aus dem Schüler Frank Günter wurde Professor Dr. Frank Günter Zehnder der, selbst in seinem 77sten Lebensjahr, nicht von der Kunst lassen kann. Er ist Direktor der Internationalen Kunstakademie Heimbach, Honorarprofessor am Kunsthistorischen Institut der Bonner Universität und Ausstellungsbeirat des Freundeskreises Abtei Brauweiler, und … Die Liste der vielen Aufgaben und Ämter ist lang.
Kunstwerke sind wie Bücher in denen man liest.
„Damals, in den Ateliers der Künstler, machte ich die Entdeckung meines Lebens. Durch das Lernen des Lesens dessen, was Menschen gestalten, lernt man die Weltbilder vieler Menschen zu verstehen. Die Ateliers waren für mich eine Welt des Staunens. Ich dachte: was haben die für’n Verstand, für’ne Perspektive. Es gibt kein Fach, das so umfassend wie Kunst ist. Sie setzt sich auseinander, filtert und
bringt zum Ausdruck; aus Millionen Augen wahrnehmbar, sprachübergreifend, weltweit. In mir entwickelte sich eine unendliche Neugierde auf das, was ich noch nicht weiß. Das lässt mich bis heute nicht ruhen zu fragen: wo gibt es Trends, was kann ich gestalten, welche Schlüsse lassen sich ziehen? Es geht um das Gefühl von Erkenntnis. Ich hatte das große Glück, zusätzlich zu meinem Onkel Jakob, den Expressionisten, Herm Dienz, als einen Lehrer zu erleben, der sein Feuer nicht vergessen hatte, und der moderne Malerei mit uns Quintanern gemacht hat. Da gingen uns allen die Augen auf. Das hat uns infiziert. Mit 17 wusste ich, ich will in die Kunst; will forschen, sammeln, erhalten, vermitteln, entweder an einer Uni oder im Museum. Ich studierte Archäologie und Geschichte, belegte zeitweise Parapsychologie und Pädagogik, konzentrierte mich aber auf Kunstgeschichte und promovierte.
Meine Forschungsschwerpunkte waren mittelalterliche und zeitgenössische Kunst und Museologie. Ich war bis zu meiner Berufung als Direktor des Rheinischen Landesmuseums Bonn, Mitte der 90er Jahre, Abteilungsleiter im Kölner Wallraf- Richartz-Museum. Mit 65 – also zum vorgesehenen Beginn meines beruflichen Ruhestands – wurde ich für weitere 2 Jahre verpflichtet und konnte in dieser Zeit Dinge anstoßen, die mir schon lange am Herzen lagen. Es entstanden Ausstellungsreihen zu denen tausende Besucher mitunter in Prozessionen zum Rheinischen Landesmuseum kamen und teilweise mit Sonderzügen anreisten. In dieser Zeit entstand mein Kontakt zum Landrat des Kreises Düren – Wolfgang Spelthahn – der ein sehr kunstinteressierter Mensch ist.
Nach meiner Pensionierung hatte er den Wunsch, ein weiteres Projekt mit mir zu machen, gemeinsam mit Geschäftsleuten und Künstlern. Im Raum stand die Idee einer Kunstakademie und er fragte nach, was ich mir da vorstellen könne, welche Pläne ich hätte. Lust hatte ich, denn mein Ziel war es nicht, ab jetzt im Garten zu arbeiten. Eine Idee hatte ich auch, entstanden aus meiner Erinnerung an das Weiten meines Blickes durch das Lesen von Kunst und aus Leidenschaft für das Fach.
Ein Schreiner, der durch Kreativität angesteckt ist, haut seinen Dübel anders in die Wand.
Sie trieb mich schon lange um: Eine Kunstakademie, die sich an Laien wendet, mit einem Niveau, das sich total abhebt. Mit hohen Zielen, Internationalität und globalem Denken. Ich wollte erleben, wie und dass der Funke überspringen kann, sich das Feuer entfachen lässt, in jedem, der sich mit der Kraft der Bildenden Kunst beschäftigt. Sein Fühlen, Denken – ohne Worte auszudrücken – sich wahrzunehmen und dem über ein Werk Gestalt zu geben; ein künstlerisches Werk vielleicht sogar. Mein Konzept entstand. Internationale Künstler, quer durch alle Bereiche der Bildenden Kunst sollten in einer Bildungs- und Ausbildungsstätte für das künstlerische Schaffen unterrichten. Workshops, Seminare, mehrwöchige Akademien, die allen Menschen (auch Behinderten) offen stehen, altersgerecht und den Fähigkeiten entsprechend gegliedert.
Der Landrat, die kommunalen Gremien, Unternehmer- und Wirtschaftskreis, sie alle waren von der Idee begeistert. 2007 kam der Bürgermeister von Heimbach und sagte zu uns: Ich hab ´ne Burg und Sie ein Konzept. Von da an ging alles sehr schnell. Die Burg Hengebach, denkmalgeschützt und innen aus finsterem Backstein, wurde in eine schneeweiße, barrierefreie Kunstakademie mit viel Tageslicht verwandelt, unter Einhaltung der denkmalpflegerischen Vorgaben.
Das am Fuße der Burg liegende Gebäude wurde hinzugenommen. Ein Trägerverein wurde gegründet. Die Finanzierung – trotz leerer Gemeindekassen – aus Sponsorengeldern auf die Beine gestellt. Es fanden sich Zustifter und ein privater Investor, der 2,2 Millionen Euro seines Privatvermögens in die Herrichtung der Gebäude einbrachte. Im Dezember 2007 erteilten alle Fraktionen ihr Einverständnis. Sie stehen bis heute voll hinter uns. 2008 standen Finanzierung und Planung und im November erfolgte der erste Spatenstich zur Umwandlung der Burg Hengebach in die Internationale Kunstakademie. Es ging alles rasend schnell. Das Projekt hatte von Anfang an Momentum. Auch das Führungsteam war schnell aufgestellt. Herr Hellwig, der ehemalige Leiter des Kulturamtes des Kreises Düren, ein sehr erfahrener und sehr gut vernetzter Verwaltungsfachmann, stand mir zur Seite. Die wissenschaftliche Leitung und der Kunstbetrieb legte der Trägerverein in meine Hände und ich nutzte meine gute Vernetzung mit den vielen Künstlern, die ich während meiner beruflichen Laufbahn kennen gelernt hatte. Otmar Alt, beispielsweise sagte sofort zu, als ich mit meiner Bitte auf ihn zukam, er möge der Akademie als Dozent zur Verfügung stehen. Am 21. August 2009 feierten wir die Eröffnung und verkündeten das Ziel der Akademie, das da lautet: Sie setzt es sich zum Ziel die Kreativität von Menschen aller Generationen, Nationalitäten und Berufe zu wecken und zu fördern. Unter wissenschaftlicher Leitung und erstklassigen Dozenten mit sehr guten pädagogischen Fähigkeiten werden in den einzelnen Kunstgattungen entsprechende Kenntnisse und Techniken vermittelt. Die Akademie hilft bei der Entdeckung der persönlichen Ausdrucksfähigkeit und unterstützt die Entwicklung einer eigenen Formensprache. Neben die praktische Unterweisung tritt auch die Vermittlung von Kunsttheorie und Kunstgeschichte. Der Betrieb lief an und er läuft so, dass ich sage ´ja toll`. Heute schaue ich auf die 2014er Bilanz: 980 Studierende, davon die Hälfte 50plus. Die andere Hälfte setzt sich zusammen aus 20- bis 45-Jährigen und Jugendlichen. Es gab 110 Kurse, geleitet von 40 Künstlern aus 15 Ländern. Alle Arbeiten werden in Werkschauen ausgestellt.
Gerade läuft die 30. Werkschau. Sie sind die Krönung der Arbeit von Studenten und Dozenten. Sie geben der Würdigung und Wertschätzung eine Plattform, dass sich die Studierenden an ihr Werk gewagt haben. Jedes Jahr haben wir es geschafft, eine Förderschule hierhin zu holen. Die bisher größte Gruppe bildeten 120 Kinder. Es war grandios mitzuerleben, wie diese – zum Teil mehrfach behinderten – Kinder in ihrem Produkt stecken, zu lesen, was sie aus sich herausgeholt haben, was in dem liegt das dieser behinderte Mensch ohne Worte ausdrückt. Ich erinnere einen geistig und körperlich behinderten Jungen bei einer Werkschau, der sich mit Vater und Mutter vom Journalisten fotografieren ließ, mit geschwellter Brust, und seine Eltern zum ersten Mal sehr stolz auf ihren Sohn erlebte. Und das mit Recht. Kunst macht etwas mit den Menschen. Das ist lebenswichtig. Stumme und Gehörlose haben Bilder voller Sprache gemacht. Einer hat ein kunstoptimistisches Bild gemalt und damit einen seiner seltenen Momente ins Bild bringen können. Der Lions-Club Euskirchen-Nordeifel macht diese Arbeit durch seine finanzielle Unterstützung möglich. Kunst ist ein unendlicher Prozess. Dieses Prozessdenken braucht die Wirtschaft wie nichts anderes. Bloß nicht statisch sondern ununterbrochen fließend. Ein Schreiner, der durch Kreativität angesteckt ist, haut seinen Dübel anders in die Wand. Kunst ist identitätsstiftend für das Einzigartigsein, das Unternehmen anstreben. Ein gutes Beispiel war der Schokoladenfabrikant Peter Ludwig und seine frühe Verbindung zur Pop-Art. Die Wirtschaft ist als Förderer von Kunst gefragt; technisch und wirtschaftlich, um Fantasie mit handwerklichem Know-how zu verbinden. Ohne das technische Potenzial wäre Kunst oft „Kunst ist identitätsstiftend und weitet den Blick!“ nicht umsetzbar. Es geht um die technische Umsetzung der künstlerischen Idee. Ohne das Know-how der Industrie ist manches Kunstwerk nicht möglich, deshalb ist es wichtig, dass die Industrie Kunst versteht und auch erwirbt. Mit jedem Erwerb eines Kunstwerkes wird das Gesamte gefördert; die Kunst, der Künstler und der Käufer“.
Professor Dr. Frank Günter Zehnder,
Kunstwissenschaftler und Honorarprofessor,
Direktor der Internationalen
Kunstakademie Heimbach. Prof. Zehnder
ist 77 Jahre alt, verheiratet und Vater
von 4 Kindern.
Das Programm 2015 finden Sie unter:
www.kunstakademie-heimbach.de