Nach einem persönlichen Schicksalsschlag, nahm sich Attila Hildmann im Alter von 19 Jahren vor, sein Leben zu verändern. Dass er seitdem nebenbei zusätzlich die Lebensmittelbranche, den Kochbuchmarkt und sicher das Leben vieler anderer umgekrempelt hat, kann dem Veganstar nur Recht sein. Im Interview mit business-on.de spricht der TV-Koch, Buchautor und Wissenschaftler über den Erfolg des fleischlosen Lebens, über das Älterwerden und über ein Dinner mit Model Gisel Bündchen.
business-on.de: Herr Hildmann, Sie ernähren sich seit 13 Jahren vegan. Wie kam es dazu?
Attila Hildmann: Mein Vater starb vor meinen Augen an einem Herzinfarkt, als ich 19 Jahre alt war. Dieses Ergebnis nahm mich emotional sehr mit. Bevor das passierte, pumpten ihn die Ärzte lieber mit Betablockern voll oder sägten ihn den Brustkorb auf und fummelten an seinem Herzen rum, so dass er nach seinem ersten Herzinfarkt und der anschließenden Operation sogar ins Koma fiel, anstatt ihm die einfachste und logischste Heilung anzubieten: nämlich sich rein vegan zu ernähren, ohne Cholesterin und tierische Fette. Schon nach wenigen Tagen sinkt der Cholesterinspiegel nachgewiesenermaßen erheblich.
Aber wir sprechen hier auch über eine Maschinerie, die ganz gern mal diese Zusammenhänge bewusst übersieht, denn es geht um viel Geld. Für mich ist das unverständlich und ich ziehe mit meiner Arbeit eine klare Grenze zu diesen Machenschaften. Für mich stand immer die Gesundheit der Menschen im Vordergrund, vor allem bei meiner Arbeit als Physikstudent im Bereich der Medizinphysik wie auch als Kochbuchautor. Aber neben den gesundheitlichen Aspekten und meinem starken Übergewicht – ich hatte damals 35 Kilogramm mehr auf den Rippen – waren es auch Betrachtungen zu Perversionen unserer Zeit wie Massentierhaltung, Tiertransporten und der Frage, ob ich selbst einem Rind die Kehle durchschneiden könnte für das Steak , das ich auf dem Teller liegen hatte. Ich verneinte das, erwarte diese Denke aber nie von anderen und möchte nicht missionieren, aber das Recht auf Aufklärung behalte ich mir vor. Über die Jahre kamen weitere Aspekte hinzu wie etwa Klimawandel, Armut in der Dritten Welt, Umweltzerstörung, Wasserverbrauch und nun sogar der Beweis, dass man mit veganer Ernährung nicht nur Tiere und Umwelt bewahrt und sich vor Zivilisationskrankheiten schützt, sondern sich sogar verjüngen kann.
business-on.de: Mittlerweile sind Sie kein Einzelfall mehr, sondern nehmen eine Vorbildfunktion ein. Verändert die vegane Küche nun doch die Welt oder bleibt die Ernährungsweise ein „Trend“?
Attila Hildmann: Damals hat sich keine Sau für eine vegane Ernährung interessiert, oder doch, die Sau hat sich schon immer interessiert, ob sie oder ob sie nicht gegessen wird. Ich wurde von Anfang an stark belächelt und die ersten Anfänge waren das Schwerste. Viele TV Redaktionen führten zum Beispiel monatelange Diskussionen, ob sie mich überhaupt einladen könnten, da vegane Ernährung ja „viel zu freakig“ sei oder es ein reines Randgruppenthema wäre, wenn man sich vegan ernährt. Heute komme ich zur Primetime in der Glotze und meine Bücher sind Bestseller und über 300.000 mal über den Ladentisch gegangen. Für mich war es eine bewusste Entscheidung und kein Kalkül, irgendwann mal damit erfolgreich zu werden. Ich wollte zuallererst als Veganer überleben und kulinarisch auf meine Kosten kommen. Das schaffte ich mit der Entwicklung von schmackhaften Rezepten. Ich habe das alles immer als Hobby betrachtet, meinen Beruf eher in der Physik, als Astronaut, Wissenschaftler oder Pilot gesehen.
Ich kann über die, die sagen, es sei nur ein kurzer Trend, nur schmunzeln. Für mich ist es erst ein kleiner Anfang dessen, was noch in den nächsten Jahren passieren wird. Vegane Küche hat und wird weiterhin die Lebensmittelbranche und am Ende die Welt positiv beeinflussen, so wie der Kochbuchmarkt durch meine Bücher umgekrempelt wurde.
Wer das alles nur als Trend sieht und dementsprechend nicht reagiert, der kann ruhig weiter schlafen.
business-on.de: Dennoch denken viele immer noch, vegan ist etwas für Alternative und Hippies…
Attila Hildmann: Ja, lange war das auch so. Ich habe Dinge in der veganen Szene erlebt, die waren noch viel nerviger, wie das dauernde Missionieren und das Bessermenschgehabe. Da sind friedliche Hippies und harmoniebedürftige Alternative noch total angenehm dagegen. Letztlich hat die Mehrheit aktuell ein anderes Bild von Veganern und das ist gut so. Ich finde, man sollte sich grundsätzlich auch ein eigenes Bild von etwas machen. Ob man nun den Veganer-Button auf der Stirn hat oder nicht, ist völlig irrelevant. Jeder kann sich mit nur einer veganen Mahlzeit etwas Gutes tun und die Umwelt, das Klima und die Tierwelt schützen. Es ging mir nie um Labels oder Gruppenzugehörigkeit, jeder von uns kann etwas bewirken, auch ohne das ganze Trallala.
„Früher war mit moppeligen Oberschenkeln jeder Gang um den Block eine Qual. Heute bin ich 35 Kilo leichter und habe einen Acht-Pack.“
Business-on.de: Wie hat Sie die vegane Lebensweise verändert? Fehlt Ihnen etwas?
Attila Hildmann: Mir fehlt absolut gar nichts. Kulinarisch komme ich komplett auf meine Kosten, kann schlemmen ohne schlechtes Gewissen und dem zwanghaften Verlangen Sport machen zu müssen, weil ich dieses oder jenes Fastfood-Menü gegessen habe. Ich habe noch nie so gut gegessen wie heute, nehme an 70.3 IRONMAN Veranstaltungen teil und habe mir einen muskulösen Körper mit Acht-Pack antrainiert. Hätte man mir das damals prophezeit, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt, das hätte ich für absolut unmöglich gehalten. Damals war ja schon der Gang um den Block eine Qual, weil meine moppeligen Oberschenkel aneinander rieben. Dieses Gefühl gönne ich meinen schlimmsten Feinden nicht.
business-on.de: Und heute?
Attila Hildmann: Heute füllt mich bei jeder Mahlzeit ein positives Gefühl aus, da ich weiß, dass meine vegane Ernährung auf allen Ebenen etwas Gutes tut, nicht nur für meine Eitelkeit.
Business-on.de: Also wird man mit der veganen Ernährung mit allen Nährstoffen versorgt?
Attila Hildmann: Die Triät versorgt den Körper mit dem höchsten Anteil an Antioxidantien. Das sind Schutzmoleküle, die uns vor Alterserscheinungen durch freie Radikale bewahren können. Man findet sie in den sogenannten Superfoods wie Acai, Acerola, Goji oder Matcha. Interessant war es in der Recherchephase für mich, dass sich diese Moleküle fast ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln befinden. Ein weiteres Puzzleteil war gefunden, warum gerade vegane Ernährung pures Anti-Aging ist. Auf Schlüsselvitamine wie B12 (Anmerkung der Redaktion: Vitamin B12 ist fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vorzufinden – also in Fisch, Fleisch, Milchprodukten und Eiern.) und D (Anmerkung der Redaktion: Vitamin D kommt vor allen in Fettfischen vor und ist wichtig für den Knochenaufbau sowie die Calciumregulierung) sollte man dennoch achten, um sich optimal zu versorgen. Dabei sollte man auch nicht vergessen, dass der milliardenschwere Nahrungsmittelergänzungsmarkt nicht durch ein paar Veganer entstanden ist, die ein, zwei Vitamine extra benötigen, sondern durch die, die sich „normal“ mit viel Fleisch, Fisch, Milch und Eiern ernähren und dadurch zu wenig wasserlösliche Vitamine zu sich nehmen. Ich habe mit Orthomol (Anmerkung der Redaktion: Hersteller von Nahrungsmittelergänzung- und Vitaminpräparaten.) an einem Produkt gearbeitet, VEG ONE, das die kritischen Stoffe in einer veganen Ernährung perfekt ergänzt.
Für Wilke Stroman , Gründer der Sparhandy GmbH, sind falsche Entscheidungen ebenso wichtig, wie die richtigen.
Wer will schon alt werden? „Unsere Werbung kennt fast nur junge Models, nur selten sieht man eine Omi auf einem Plakat einer Lebensversicherung.“
business-on.de: Apropos Anti-Aging: In Ihrem neuen Buch „Vegan for Youth“ thematisieren Sie die oben erwähnten Nebeneffekte der veganen Ernährung. Worum geht es im neuen Buch genau und worin unterscheidet es sich von Ihren bisherigen Büchern?
Attila Hildmann: Es geht um eine messbare Verjüngung innerhalb von nur 60 Tagen. Das zugrundeliegende Konzept ist die Triät, die aus drei Komponenten besteht: schlanker, gesünder und messbar jünger. Im Gegensatz zu einer einfachen Diät, bei der man oft mit verbundenem Raubbau an seinem Körper Gewicht verliert, verliert man bei der Triät auch unnötiges Übergewicht, aber das in einer absolut gesunden Weise für den Organismus. Man wird vitaler, fitter und messbar jünger.
Den letzten Punkt habe ich mit vier verschiedenen wissenschaftlichen Tests nachgewiesen, darunter zum Beispiel einen Atem-, Antioxidantien – und Telomertest. Telomere sind die Endkappen unserer Chromosomen. 2009 wurde für diesen Wissenschaftsbereich der Nobelpreis verliehen. Telomere stellen die innere Uhr der Zelle dar. Mein eigener Telomertest belegte, dass man mit der Triät seinen Alterungsprozess verlangsamen kann: ich bin zwar 32, aber biologisch erst 26, bin also in 13 Jahren veganer Ernährung nur halb so schnell gealtert wie der Durchschnitt. Das ist ein revolutionäres Ergebnis, nicht nur für mich selbst! Um auf die Ursprungsfrage zurückzukommen: für mich schloss sich auch der Kreis bezüglich meines Physikstudiums, denn ich schreibe unter anderem über einen Teil der Auswertungen meine Diplomarbeit und konnte nun zwei wichtige Themen miteinander kombinieren.
Für mich glich die Arbeit an dem Buch einer Abenteuerreise und ich begab mich auf die Suche nach einem Jungbrunnen. Es ist bei weitem mein ausgefeiltestes Buch und ich kann aus tiefster Überzeugung sagen, dass ich einen Jungbrunnen gefunden habe. So wie mir geht es vielen Menschen. Die Vegan for Fit Challenge wurde von fast 200.000 Menschen absolviert und viele berichteten immer wieder darüber, dass sie sich jünger und vitaler fühlten, schon nach 30 Tagen. Ich ging diesen Aussagen sowie den wissenschaftlichen Erkenntnissen nach und reiste in ferne Länder, besuchte steinalte, vegan lebende Mönche in Kyoto, vitale Mamas im italienischen Dorf von Hundertjährigen, sprach mit hochkarätigen Wissenschaftlern und führte viele Testreihen durch, die meine Hypothese stützen, dass man sich mit Meditation, Stretching, antioxidantienreicher Ernährung und Bewegung verjüngen kann.
business-on.de: Finden Sie es erstrebenswert immer jung zu bleiben?
Attila Hildmann: Absolut und wir sollten hier ganz ehrlich sein. Unsere sexualisierte Werbung kennt zum Beispiel fast ausschließlich junge, vitale Models. Nur ab und zu sieht man mal eine Omi auf einem Plakat einer Lebensversicherung. Wer hat denn schon Spaß daran, alt zu werden und in einem Altersheim zu landen mit Gelenkschmerzen und anderen Wehwechen? Ich jedenfalls nicht. Ich kann mich schon eher mit dem Gedanken anfreunden, mit Würde alt zu werden, ohne von anderen Menschen groß abhängig zu sein, statt diesem Siechtum, was man in vielen Altersheimen aktuell erleben kann. Man sollte solche Menschen fragen, ob sie gerne wieder jung und vital sein möchten. Ich glaube, jeder von uns kennt die Antwort.
Ich sprach mit vielen Alterswissenschaftlern und viele gehen davon aus, dass Altern eine Grundkrankheit darstellt, die die anderen sogenannten Alterserkrankungen verursacht. Natürlich: irgendwann wird vielleicht auch das ewig jung bleiben langweilig, aber dann möchte ich selbst bestimmen, wann und wie ich gehen werde.
business-on.de: Triät statt nur Diät? Vegan für Fortgeschrittene? Ist Ihr Konzept für normale Esser überhaupt in den Alltag zu integrieren?
Attila Hildmann: Natürlich. Wir hatten ja Challenger, deren Leben durch die Triät weit mehr bereichert wurde, als dass es sie einschränkte. Die inspirierenden Vorher-Nachher-Fotos und Geschichten kann man dazu im Beibuch von VEGAN FOR YOUTH lesen. Für viele war es Schlüssel dafür, den Alltag besser bewältigen zu können, dass sie mehr Kraft, Ausdauer und Lebensfreude hatten. Die Triät ist ein weltweit einzigartiges Konzept, Diäten dagegen wirklich nur noch eindimensional.
„Vegan ist keine Ernährungsreligion, also bloß nicht von missionarischen Veganern die Laune verderben lassen!“
business-on.de: Vegan(g)sta(r), TV-Koch, Buchautor, Wissenschaftler – in welcher Rolle fühlen Sie sich am wohlsten?
Attila Hildmann: Ich bin eine vielschichtige Person und lasse mich in keine Schublade stecken. Ich bin in Berlin aufgewachsen, den „Vegangsta“ kriegt man also auch nicht aus mir raus. Genauso wenig wie den sensiblen Autor, dynamischen TV-Koch oder den Menschen, der schon in der Schule „Faust“ oder die Hawking-Bücher verschlungen hat und verstehen wollte, „was die Welt, im Innersten zusammenhält“ und ein schweres, langwieriges Physikstudium begann. Ich bin nicht das, was andere von mir denken, sondern definiere mich jeden Tag durch meine Taten. Man darf gern noch vieles von mir erwarten, ich habe noch ganz andere Facetten.
business-on.de: Welche Tipps haben Sie für Neu-Veganer?
Attila Hildmann: Bloß nicht von missionarischen Veganern die Laune verderben lassen. Es ist weder eine Ernährungsreligion, noch muss man dieses oder jenes machen oder gleich alle Lederteile wegschmeißen. Jedes Essen zählt in der Positivbilanz. Man sollte sich nicht rechtfertigen. Essen ist auch irgendwie Privatsache. Man tut es letztendlich für sich selbst und muss lernen, dazu zu stehen.
business-on.de: Was gehört unbedingt zur veganen Grundausstattung?
Attila Hildmann: Weißes Mandelmus für schnelle Sahnesoßen, Matcha für den täglichen Rush, Räuchertofu für geile Sandwiches, Pesto für schnelle Pastagerichte. In meinem Buch VEGAN FOR YOUTH finden sich eine ganze Reihe an schnellen und einfachen Rezepten mit wenigen Grundzutaten, die man bei jedem Biodealer erhält. Kochen kann einfach sein und Spaß machen!
business-on.de: Schlussfrage: Sie sind bei Gisele Bündchen zum Abendessen eingeladen. Auf dem extra für Sie gezauberten Veggie-Auflauf finden Sie Käse? Was tun?
Attila Hildmann: Ich bin für fetten Käse zu eitel, also werde ich ganz freundlich, aber dankend ablehnen und Gisele zeigen, wie man ein gesundes und köstlich cremiges „Käse“-Topping mit weißem Mandelmus herstellt. Ich werde ihr bei dieser Gelegenheit auch etwas über Superfoods erzählen und mich wundern, dass sie als Topmodel noch nicht vegan isst und die Vorzüge veganer Ernährung kennt. Ich werde ihr zeigen, was sie in ihrem stressigen Alltag alles für gutschmeckende und schnelle vegane Alternativen naschen könnte und es wird ein grandioser inspirierender Abend, an dessen Ende der fettige Käseauflauf an die Nachbarn abgegeben wurde, dafür aber die vegane Alternative Gisele viel besser schmeckte… Ja, so wird das!
Attila Hildmann kocht – Super easy Baguette mit Pesto, Räuchertofu, Rucola, Paprika und Möhren
Christian Weis