Inhaltsverzeichnis:
- Tantra: Seriöse Massage oder „professionelle“ Wellnesserweiterung?
- Die „Entdeckung der Langsamkeit“ neu interpretiert
- Die intime Yonimassage: Ohne sexuelle Energie keine Lebensenergie
- Was ist Tantra?
- Welche Arten der Tantramassage gibt es?
- Was hat Tantra mit Sex zu tun?
- Was sollte bei einer Tantramassage beachtet werden?
Berufstätige sorgen sich in ihrer meist zu knapp gehaltenen Freizeit hauptsächlich um einen perfekten Ausgleich zum stressigen Berufsalltag. Hierbei sind die Ansprüche nicht gerade gering: Die Freizeitgestaltung sollte Entspannung bieten, weiterhin neue Energie spenden sowie ein neues Körpergefühl vermitteln. All das sollte zudem ganz beiläufig und in möglichst wenig Zeit realisiert werden können. So präsentieren wir immer wieder neue Massagetechniken und neue Wellnessanwendungen.
Nicht wirklich neu, jedoch gerade in jüngster Zeit neu entdeckt, ist die Tantramassage, eine alte indische Massagetechnik, die sinnliche und erotische Körperanwendungen beinhaltet. Tantra, so heißt es, erreicht über den Körper die Seele und verspricht durch die Kombination aus therapeutischer Massagemethode und erotischen Elementen, lang anhaltende Tiefenentspannung.
Tantra: Seriöse Massage oder „professionelle“ Wellnesserweiterung?
Gründe genug, der besagten Wunder-Massage eine Chance zu geben. Und bereits wenige Tage später stehe ich vor einem renommierten Tantrainstitut in Köln. Da ich zu früh bin, bleibt mir viel Zeit, mich auf die neue Erfahrung vorzubereiten oder in meinem Fall, mir auf der Basis meiner bisherigen Informationen, zu überlegen, ob ich für solch ein Erlebnis überhaupt bereit bin. Möchte ich wirklich, dass mich eine nackte Masseuse an meinen intimsten Stellen berührt? Was soll das mit einer seriösen Massage gemein haben? Diese und andere Fragen reißen mich zwischen dem endgültigen Klingeln und einem befreienden Weglaufen hin und her. Letztendlich siegt jedoch meine Neugierde und ich betrete mit klopfendem Herzen das Massageinstitut. Nach einem freundlichen Empfang werde ich in „mein Zimmer“, ein heller, liebevoll und einladend eingerichteter Massageraum, geführt. Meine Masseuse, die mich in den nächsten 90 Minuten ins Paradies führen soll, stellt sich bezeichnenderweise als Eva vor. Bevor wir anfangen, erklärt sie mir geduldig die Vorgehensweise. Da es mein erster Besuch ist, einigen wir uns auf ein Handzeichen als Stopp-Signal, falls mir die Berührungen zu weit gehen sollten. Dann lässt mich Eva kurz alleine, damit ich mich duschen kann. Nur mit einem Kimono bekleidet, warte ich nun frisch geduscht auf meine Einführung in die Tantra-Kunst. Im Zimmer läuft mittlerweile leicht sphärische Musik, das Licht wurde gedimmt und mehrere Duftkerzen verleihen dem Zimmer eine behagliche Atmosphäre. Als Eva zurückkommt, droht mir mein Körper seinen Dienst zu versagen, dennoch schaffe ich es den Mut aufzubringen, ihrem Zeichen zu folgen und mich ihr gegenüber zu stellen.
Mit geschlossenen Augen fühle ich schnell zu viel: Eva schlendert um mich herum, drückt sich gegen meinen Rücken, gegen meine Brust, streichelt meine Finger, meine Handinnenfläche, massiert leicht meinen Nacken, fährt mir durch die Haare. Dabei höre ich nicht nur die Musik, fühle nicht nur ihre Hände auf mir, sondern spüre vor allem auch ihren Atem und ihren Körper überall auf meinem. Bevor ich vor gefühlten schlicht zu vielen Sinneswahrnehmungen kaum noch mein Gleichgewicht kontrollieren kann, führt mich Eva, nun nackt, zur Massageliege, die mitten im Raum steht. Auf dem Bauch liegend, genieße ich ihre Berührungen.
Die „Entdeckung der Langsamkeit“ neu interpretiert
Spätestens jetzt kenne ich die Antwort auf meine anfänglich nervös gestellte Frage „Was soll ich tun?“: Ein ganz simples „Gar nichts!“.
Das geforderte Zurücklehnen und genießen OHNE eigenes Zutun hört sich zwar einfach an, in Wahrheit stellt gerade die notwendige Passivität für viele Kunden erstmal die größte Herausforderung dar. Sich vollkommen hinzugeben und auf Berührungen nicht reagieren zu müssen; einfach nur da zu liegen ohne dass augenscheinlich überhaupt etwas passiert, ist für die heutige Leistungsgesellschaft schwer verständlich und passt nicht unbedingt in unser antrainiertes Erfolgskonzept.
Eine weitere Herausforderung spielt die Zeit. Alles hier passiert sehr langsam. So langsam, dass ich mich die erste halbe Stunde zusammen reißen muss, nicht andauernd auf die Uhr zu schauen. Das Nichts tun, muss neu erlernt werden. Hier ist der Weg das Ziel. Schwer nachzuvollziehen, weiß ich doch noch nicht mal, wo ich hin will. „Doch genau hier liegt das Geheimnis der tantrischen Anwendung“, erklärt mir Eva. Der Körper reagiert im Unbewussten, durch die Massage gerät der Energiefluss des Körpers in Bewegung. Um den Energiehaushalt ganzkörperlich in Wallung zu bringen, wird auch der gesamte Körper berührt – eine Erfahrung, die Nachhaltig beeindruckt.
Die anfängliche Skepsis in mir verfliegt schnell. Zu Beginn der Massage dominiert noch das Warten auf eine Art außergewöhnliches Ereignis, gefolgt von einer inneren Unruhe. Erst langsam lerne ich, Evas Berührungen zu genießen, bis ich nach einer guten halben Stunde fast den Tränen nahe bin. Als sich Eva mit ihrem ganzen Körper auf mich legt, nimmt sie eine enorme Last von mir und macht mir gleichzeitig erdrückend bewusst, dass ich wohl noch niemals so intensiv, so zärtlich und so einfühlsam berührt worden bin.
Die intime Yonimassage: Ohne sexuelle Energie keine Lebensenergie
Auf einmal hat die Nacktheit nichts Peinliches mehr an sich. Alles scheint vollkommen normal und natürlich. Die Tantramassage ist eine sehr gefühlvolle Massage und erfordert ein hohes Maß an Vertrauen. Während der Massage werden ALLE Körperstellen berührt, gestreichelt, leicht massiert. Mit fließenden Bewegungen arbeitet sich die Masseuse vom Kopf, über die Schläfen, den Nacken, über Arme, Hände, Brüste und Rücken, einschließlich Hintern bis zu den Beinen und den Füßen hinunter. Alles eine Vorbereitung, eine Art langes Vorspiel auf das spannende Finale, die Yonimassage, die Massage des Genitalbereichs. Nur unmerklich kurz zucke ich zusammen, nicke Eva aber dann doch bejahend zu. Warum auch zögern? Alles was Eva macht, fühlt sich wahrlich paradiesisch an.
Was im Folgenden passiert, ist schwer zu erklären. Sicher ist, dass mein Intimbereich durch die Massage schnell warm wird, beinahe hitzig. Die Wärme fließt durch den ganzen Körper und verdrängt dort jegliche Verspannungen.
Allerdings ist Tantra auf keinen Fall eine rein erotische Massage, jedoch eine Massage, die Erotik explizit mit einbezieht. Tantra vertritt die Auffassung, dass Lebensenergie der sexuellen Energie gleichzusetzen sei. Diese soll nur freigesetzt werden, nicht aber zwangsläufig bis zum Höhepunkt führen.
Und so fühle ich mich anschließend unter der Dusche nicht unbedingt befriedigt, jedoch aber wunderbar entspannt, angenehm geborgen und ungemein müde. Erst gegen Abend tritt die erstaunliche Wirkung ein: Ich fühle mich herrlich unbeschwert und glücklich. Ein leichter Zustand, der noch den gesamten folgenden Tag anhält.
Und so ist die Tantramassage sicherlich eine Erfahrung wert, auch wenn das prophezeite Ergebnis sich nicht bewahrheitet hat. Die unterschiedlichen Massagetechniken, gepaart mit den zärtlichen Streicheleinheiten, verleihen in der Tat ein neues Körpergefühl und definitiv eine lang anhaltende Tiefenentspannung.
Was ist Tantra?
Der indische Begriff Tantra stammt aus der indischen Gelehrtensprache und setzt sich aus den zwei Wörtern „Tan“ (eigentlich „Tanoti“ was so viel bedeutet wie „ausdehnen“) und „Tra“, die Kurzform von „Trayati“, was mit „befreien“ zu übersetzen ist zusammen. Tantra kann demnach mit „Befreiung durch Ausdehnung“ übersetzt werden. Eine andere Übersetzung sieht in dem Suffix „tra“ das Instrumentelle der Erweiterung.
Dahinter steht die Erkenntnislehre des Trantrismus, die auf der Untrennbarkeit des Relativen und des Absoluten basiert. Ziel eines Trantrikers sind die Einswerdung mit dem Absoluten und das Erkennen der höchsten Wirklichkeit. Dazu werden die drei zentralen Ideen des Tantra, der Körper, die Sinne und die Sexualenergie, im besonderen Maße eingesetzt, um eine Ausdehnung des Bewusstseins zu erreichen, um am Ende zu einer „allumfassenden Liebe“ (www.sahaja-tantra.de) zu gelangen.
Welche Arten der Tantramassage gibt es?
Die Trantramassage entstand in den 80er Jahren als eine rituelle Berührungskunst. Tantra sieht als ganzkörperliches Ereignis den Körper als Tempel der Persönlichkeit. Ihn zu erkunden ist Ziel und Zweck der Tantramassage, bei der der Kunde meist komplett nackt ist. Die Masseurin oder der Masseur sind ebenfalls nackt oder aber mit einem Tuch, beziehungsweise einem leichten Morgenmantel umhüllt. Jede Massage beginnt mit einer Hand- und Fußmassage und geht über in eine Ganzkörpermassage, während der in leichten, sinnlichen Berührungen der Körper „erkundet“ wird. Oftmals wird der sinnliche Aspekt mittels des Einsatzes von Federn, Tüchern, Augenbinden oder anderen „Hilfswerkzeugen“ verstärkt. Insbesondere nach dem Erfolg der „Shades of Grey“-Reihe sind Fetischspielzeuge, wie Leder-Paddel, keine Seltenheit mehr. Auch Akkupressur und Elemente der traditionellen Thai-Massage fließen mit in die Tantramassage ein.
Im Zuge der Massage nähert sich die Masseurin /der Masseur langsam dem Intimbereich des Kunden, der auf Wunsch mit in die Massageanwendung mit einbezogen wird. Ziel der Anwendung ist das Erreichen einer tiefen, neuartigen Dimension von Lust; hingegen zählt ein Orgasmus nicht zwangläufig dazu, wird aber sozusagen als „i-Tüpfelchen“ angesehen. Generell geht: Der Kunde bestimmt selbst, wie weit er während der Massage gehen möchte. Die Massage ist auf individuelle Wünsche abgestimmt und wird durch die Harmonie zwischen Masseurin und Kunden geleitet.
Jedes Massageinstitut bietet eigene „Spezialitäten“ an, eine Liste aller Angebote ist daher nicht zu erstellen.
Die gängigen Massagearten aber sind
Für Frauen die Yoni-Massage und die G-Punkt Massage.
Das Wort „Yoni“ stammt aus dem indischen Sanskrit und benennt den gesamten weiblichen Intimbereich. Entsprechend konzentriert sich die Massage explizit auf diesen Bereich.
Eine Steigerung dazu ist die G-Punkt Massage, die die gesamte G-Zone der Vagina stimuliert. Dabei kann es sogar zu einer weiblichen Ejakulation kommen, was für einen äußerst seltenen und intensiven Orgasmus spricht.
Die Pendants für die Männer heißen Lingam-Massage und Prostata-Massage.
Für Paare werden spezielle Paarmassagen und sogar „Rituale zu dritt“ angeboten. Auch Gruppenabende sind Teil der Angebote.
Was hat Tantra mit Sex zu tun?
Oftmals wird eine Tantramassage mit Sexualität, beziehungsweise mit einer sexuellen Dienstleistung gleichgesetzt. Zwar ist Tantra ein spiritueller und damit auch sinnlicher Weg, der die Sexualität bewusst mit einschließt, jedoch sollte Tantra nicht auf den reinen sexuellen Akt reduziert werden.
Eine Tantrikerin ehrt den Körper als Tempel des Göttlichen und lebt in dem Glauben, dass jede Erfahrung und jede Begegnung die Einladung zu einer Liebesbeziehung ist. Kontakt wird gerne ohne Worte einzig über den Körper aufgenommen; dabei wird jede Begegnung mit Entspannung und Absichtslosigkeit zelebriert.
Streng genommen hat Sexualität nichts mit Tantra zu tun, zumindest ist sie niemals Selbstzweck. Der Lustgewinn ist vielmehr lediglich ein Nebeneffekt, der oftmals als Form der Meditation beschrieben wird, als eine Art von Energie, die durch Tantra freigesetzt werden kann, niemals jedoch muss.
Was sollte bei einer Tantramassage beachtet werden?
Die Tantramassage ist eine höchst intime Art der Massage, die viel Nähe und Berührungen zwischen zwei Menschen einschließt. Daher ist Körperhygiene sehr wichtig und vor jeder Massage sollte geduscht werden. Meist steht in Instituten eine Duschkabine bereit.
Genauso wichtig wie die Hygiene ist Vertrauen. Die Massage erfüllt nur dann seinen Zweck, wenn sich der Kunde fallen lassen und die Berührungen ganz hinnehmen und genießen kann. Nicht immer sind die Empfindungen angenehmen, da sie viele unterschiedliche Emotionen lösen.
Tantra ist auf individuelle Wünsche ausgerichtet und daher immer wieder neu. Keine Sitzung gleicht der nächsten. An oberster Stelle steht die Bereitschaft, Berührungen annehmen zu können, Masseurin und Kunde entscheiden gemeinsam, wie weit sie gehen wollen und können.
Redaktion