Die Rede und das Problem.
Hier ein kleiner Unterhaltungstipp: Man suche im Internet nach „Jürgen B. Hausmann Rede Tante Gertrud“. Wenn man auf YouTube folgendes findet, ist man richtig: „Jürgen (Beckers) Hausmann: Mensch, Hausmann.. wie das…“. Der für uns relevante Zeitabschnitt geht von 33:43 bis 37:10.
Aber was der Kabarettist Jürgen B. Hausmann in seinem Duktus darstellt, ist im Grunde kein sonderlich neues Phänomen. Es gibt Personen, die sind nicht mit dem Talent gesegnet, eine Rede zu schreiben. Warum sollte man sich also nicht die Rede professionell outsourcen? Es ist auch nichts Ehrenrühriges daran, sich der Hilfe von diesen Leuten zu versichern. Personen, die dies professionell machen, haben eine jahrelange Erfahrung, wissen etwa um die Problematik der Themenfindung.
Worüber man reden sollte – und worüber nicht.
Nehmen wir eine Hochzeitsrede und stellen uns die Frage: Was kann man da machen? Logischerweise sollte man das Positive herausstreichen, beschreibt in blumigen Farben die Liebe der beiden Vermählten zueinander. Dennoch kann beim Schreiben und Proben das Gefühl entstehen, dass dies zu gewollt romantisch ist.
Gleichermaßen sollte man wohlweislich auf die peinlichen Momente im Leben des zu-dem-Zeitpunkt-noch-nicht-Brautpaares verzichten, wie auch Ex-Partner*innen oder schlechte Charaktereigenschaften der Brautleute unerwähnt lassen.
Oder was ist mit Ansprachen zum fünfundfünfzigsten Bestehen der Firma? Klar, man kann einen kurzen Abriss über die Entwicklung des Betriebes geben. Man wirft einen Blick auf die bescheidenen Anfänge, als der Firmengründer mit nichts, außer einer Handvoll Schrauben begann, das größte Einzelhandelsimperium, von dem nie jemand gehört hatte, zu errichten. Was man nicht tun sollte, ist darauf hinzuweisen, dass der Laden deshalb so gut florierte, weil der Senior einige Millionen in die Firma seines Sohnes investiert hatte.
Das heißt: Wenn man dies erwähnen will, weil es etwa auch in der Festschrift zum Thema niedergeschrieben wurde, sollte man die kluge Weitsicht des Seniors herausstreichen.
Das Redenschreiben und die vier Ohren.
Wir sehen: Redenschreiben ist Kommunikation und diese ist mit Stolperfallen gespickt. Da muss man nur mal das Vier-Ohren-Modell des Friedemann Schulz von Thun berücksichtigen, um dies festzustellen. In seiner auch „Vier-Seiten-Modell“, alternativ als „Kommunikationsquadrat“ bezeichneten Darstellung der zwischenmenschlichen Sprache gibt es vier unterschiedliche Seiten, Ebenen oder Ohren, mit denen Sprache codiert und decodiert werden kann. Als Eselsbrücke kann da das Wort BASS fungieren, denn es gibt die:
Beziehungsebene
Hier geht es darum, wie Sender und Empfänger zueinander stehen, respektive denken, dass sie zueinander stehen und was sie denken, voneinander zu halten.
Appellebene
Auf dieser Ebene geht es darum, dass der Sender mit seiner Sendung etwas bewirken möchte. Der Empfänger kann diese Information erhalten – oder komplett anders decodieren.
Sachebene
Dies ist die Hauptfunktion der Rede. Es wird sachlich – oder bei Hochzeitsreden auch emotional – geschildert, was passiert ist – ein quasi journalistisch-Augstein’sches „Sagen, was ist“
Selbstoffenbarungsebene
Auch dies ist in einigen Reden möglich. Besonders trifft dies bei Antrittsreden zu, in denen sich der oder die neue Person vorstellt. Sie oder er wird einen kurzen Handlungsabriss geben und darstellen, was er oder sie vorhat und wie es weitergehen würde.
Und dennoch: Es gibt Menschen, die können keine Reden schreiben und es gibt solche, die könnten, trauen sich aber nicht, weil sie nicht genau wissen, was angemessen ist. Da sind wir wieder bei der Thematik, dass andere Leute diesen Job besser machen können. Und wenn man meint, dass da noch Details erwähnt werden sollen, kann man die Rede vor dem Halten immer noch anpassen. Im Generellen ist es besser, sich einer professionellen Hilfe zu versichern, als sich – wie Hausmanns „Tant Jertrud“ – das Erstbeste aus dem Internet herunterzuladen.
Fazit
Natürlich ist es nicht schlimm, sich entsprechende Hilfe zu suchen. Politiker, Prominente, selbst die Queen, werden hin und wieder auf die dienstbaren Geister der Redenschreiber zurückgreifen. Und warum sollte das für den Otto-Normal-Redner anders sein? Klar könnte man jetzt festhalten, dass nur Eigenleistung zählen sollte und grundsätzlich ist dies auch korrekt. Dennoch: es ist ein kleiner, aber feiner Unterschied, ob man sich für fünf Minuten Redezeit mit fremden Federn schmückt, oder seine gesamte Abschlussarbeit von fremden Geistern geschrieben wurde.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jürgen_B._Hausmann
https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Augstein
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedemann_Schulz_von_Thun
https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-06/jubilee-queen-elizabeth-buckingham-palace
https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2097537-Coachen-statt-schummeln.html
Bildquellen:
- pexels-andrea-piacquadio-3760093: Pexels https://www.pexels.com/de-de/foto/formeller-mann-mit-tablette-die-prasentation-im-buro-gibt-3760093/