Was ist eine Wegzugsbesteuerung?
Nach der deutschen Wegzugssteuer nach § 6 AStG wird die Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsvorganges geregelt. Dieser bezieht sich in der Regel auf eine mindestens 1-prozentige Beteiligung am Kapital einer aus- oder inländischen Kapitalgesellschaft im Privatvermögen im Falle eines Wegzugs des Gesellschafters ins Ausland. Zu verstehen ist unter Wegzug in diesem Sinne die Aufgabe des Wohnsitzes in Deutschland.
Doch auch die unentgeltliche Übertragung auf eine im Ausland ansässige Person oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts auf andere Weise sind weitere sogenannte Ersatztatbestände.
Was unterliegt der Wegzugsbesteuerung?
Die Wegzugssteuer greift dann, wenn ein Gesellschafter wegzieht. Dazu wird die Kapitalgesellschaft zunächst bewertet, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem der Wegzug stattfindet. Dadurch ist es möglich, den potenziellen Gewinn zu ermitteln, welchen ein wegziehender Gesellschafter beim Verkauf zu erwarten hätte. Dabei handelt es sich um den sogenannten fiktionalen Gewinn. Tatsächlich aber hat der Gesellschafter kein Geld erhalten. Bleibt die Frage zu klären, wie die Steuer dann bezahlt werden soll.
Wie wird die Wegzugssteuer berechnet?
Um die Höhe der Wegzugssteuer zu berechnen, müssen folgende drei Schritte vorgenommen werden:
- gemeiner Wert, sprich in der Regel der Marktwert der Gesellschaftsanteile zum Zeitpunkt des Wegzugs, ist Ausgangspunkt
- Abzug der Anschaffungskosten der Kapitalanlage von diesem Wert
- fiktiver Veräußerungsgewinn ergibt sich daraus
Dieser ermittelte Veräußerungsgewinn ist mit dem persönlichen Einkommensteuersatz, mit bis zu 45 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag zu versteuern. Davon bleiben 40 Prozent steuerfrei. Grund dafür ist das sogenannte Teileinkünfteverfahren. So ergibt sich im Ergebnis eine maximale Steuerlast von 27 Prozent zzgl. Soli und gegebenenfalls der Kirchensteuer. In ihrer Höhe ist die Belastung der Abgeltungsteuer ähnlich.
Verschärfung der Wegzugsbesteuerung 2022
Zum 01. Januar 2022 gab es eine Reform der Wegzugsbesteuerung. Demnach müssen Unternehmer seit diesem Zeitpunkt bei einer Wohnsitzverlegung ins Ausland mit deutlich schärferen Besteuerungsvorschriften hinsichtlich privat gehaltener Anteile an Kapitalgesellschaften zurechtkommen. Teilweise führt das zu einer erheblichen Sonderbelastung.
Welche neuen Regeln bringt die Reform mit sich?
Diese Reform brachte einige neue Regeln mit sich. So wurden die Vorschriften zur Besteuerung privater Anteile an Kapitalgesellschaften bei Wegzug ins Ausland deutlich verschärft. Dabei geht es in erster Linie um folgende Änderungen:
- Verschärfung der Stundungsregelungen: Die vorteilhafte Stundungsregelung wird durch das neue Gesetz beendet. Stattdessen fällt die Steuer im Normalfall sofort mit dem Wegzug an. Daneben besteht jedoch die Möglichkeit der Beantragung einer zinslosen Stundung, dies jedoch nur gegen eine Sicherheitsleistung. In dem Fall ist die Steuerschuld innerhalb von sieben Jahren, mit jährlich gleichbleibenden Jahresraten zu bezahlen.
- Änderung des persönlichen Anwendungsbereichs: Es reicht nun aus, wenn innerhalb der vergangenen zwölf Jahre für mindestens sieben Jahre die unbeschränkte Steuerpflicht besteht. Vor der Änderung griff die Wegzugbesteuerung nur dann, wenn der Betroffene für mindestens zehn Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war.
- Umgestaltung der Rückkehrregelung: Die Wegzugsbesteuerung kann rückwirkend entfallen, wenn ein Steuerpflichtiger den eigenen Wohnsitz innerhalb von sieben Jahren wieder zurück nach Deutschland verlegt. In manchen Fällen ist auch eine Verlängerung um fünf weitere Jahre möglich. Für die betreffende Zwischenzeit konnte vor der Reform, basierend auf dieser Regelung, eine Stundung beantragt werden. Dafür wurde eine Sicherheitsleistung fällig. Bei Umzug in einen anderen EU- beziehungsweise EWR-Staat war die Rückkehrregelung unbefristet und außerdem ohne eine anfallende Sicherheitsleistung gültig. Diese Privilegien fallen durch die Änderungen jedoch weg.
Wegzugsbesteuerung 2022 effektiv vermeiden
Unter bestimmten Voraussetzungen ist es auch möglich, die Wegzugsbesteuerung zu vermeiden. Dies geht jedoch nicht nur mit Vor-, sondern auch mit Nachteilen einher. Die Vermeidung lässt sich nur mit gut geplanten Strategien umsetzen, auf die wir im Folgenden näher eingehen werden.
- Geplante Rückkehr/temporärer Wegzug: Die Steuer entfällt, wenn man als Privatperson plant, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Dies gilt dann, wenn man nicht länger als sieben Jahre einen Aufenthalt im Ausland plant und währenddessen keine Geschäftsanteile an andere Gesellschaften verkauft. Seit der Reform kann diese Frist für Wegzüge auf zwölf Jahre ausgeweitet werden. Sehr wichtig beim temporären Wegzug ins Ausland ist, dass ein Unternehmen während des Aufenthalts nicht verkauft werden darf. Auch die Ausschüttung von Dividenden ist ausschließlich in beschränktem Umfang möglich.
- Vorteilhafte Bewertung: Es ist besser, einen Gutachter mit der Bewertung des eigenen Unternehmens zu beauftragen, als diese Sache den deutschen Finanzbehörden zu überlassen. Dem liegt zugrunde, dass letztere für An- und Umsetzung der Steuer nur den reinen Gewinn einer Firma heranziehen und normalerweise mit dem Faktor 13.375 rechnen. Das bedeutet aber auch, dass sie bei einem jährlichen Gewinn von 100.000 Euro auf eine Summe von 1.375 Mio. Euro kommen werden, unabhängig davon, ob ein Unternehmen noch rückläufige Gewinne oder andere Belastungen wie Schulden hat.
- Beibehaltung der Anteile: Auch Umstrukturierungen in Firmenstrukturen können Lösungen darstellen. Das ist besonders dann interessant, wenn Anteile trotz des Wegzugs aus Deutschland erhalten bleiben sollen. Möglich ist eine Umwandlung der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft. Aber auch die zwischengeschaltete Personengesellschaft oder der Verkauf einer Gesellschaft an eine Holdinggesellschaft im Ausland sind effektive Wege, um die Steuer zu vermeiden.
- Aufgabe der Anteile: Um vor einem Wegzug aus Deutschland Anteile aufzugeben, kommen verschiedene Varianten infrage. Allen gemein ist, dass sich damit die Wegzugssteuer vermeiden lässt. Möglich sind eine Anteilsveräußerung vor dem Umzug, eine Anteilsübertragung oder der Betriebsübergang im Rahmen einer Nachfolgeregelung. Aber auch eine Familienstiftung oder die Liquidation kommen als Möglichkeiten infrage.
Wann fällt eine Wegzugsbesteuerung an?
Eine Wegzugsbesteuerung fällt allgemein in folgenden Fällen an:
- Wenn man im Besitz einer oder mehrere Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit einem Anteil von mindestens einem Prozent ist (zu einem beliebigen Zeitpunkt während der letzten fünf Jahre)
- Wenn man innerhalb der letzten zwölf Jahre mindestens sieben Jahre lang in Deutschland unbeschränkt als steuerpflichtig galt.
Weiterhin kann die Fälligkeit der Wegbesteuerung von den einzelnen Rechtsformen abhängig sein und muss deswegen immer individuell überprüft werden.
Einzelunternehmen
Für Einzelunternehmen fällt keine Wegzugsbesteuerung an. Dem liegt zugrunde, dass diese Besteuerung ausschließlich auf der Ebene eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft anfällt. Die Gesellschaft selbst ist davon jedoch nicht betroffen.
Stattdessen greift bei Einzelunternehmen die Besteuerung einer Entstrickung und Funktionsverlagerung.
Die Entstrickung wird auch als Verlagerung einzelner Wirtschaftsgüter ins Ausland bezeichnet. Genau genommen stellt eine Entstrickung eine Aufdeckung stiller Reserven eines Wirtschaftsgutes dar. Damit steht die Entstrickung folglich einer Besteuerung in Form der fiktiven Entnahme oder Veräußerung von Wirtschaftsgut oder auch Vermögenswerten gleich. Deutschland könnte das Wirtschaftsgut durch eine Verlagerung ins Ausland künftig nicht mehr besteuern.
Bei einer Funktionsverlagerung handelt es sich um eine Verlagerung einer Funktion mit allen dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der übertragenen beziehungsweise überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile. Deswegen führt die Funktionsverlagerung bei jeder Verlagerung betrieblicher Funktionen von einem inländischen auf ein ausländisches Unternehmen zu einer Besteuerung der fiktiven Veräußerung der betreffenden Funktion.
GmbH
Plant man als GmbH-Gesellschafter eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes ins Ausland, kann es schnell teuer werden. In diesem Fall versucht der Gesetzgeber, eine Kapitalflucht ins Ausland zu unterbinden. Dies wiederum funktioniert, indem stille Reserven einer Kapitalgesellschaft als GmbH-Geschäftsanteile auch im Inland steuerpflichtig sind.
Privatpersonen
Möchte man als natürliche Person ins Ausland ziehen und hält dabei Anteile des Privatvermögens an Kapitalgesellschaften, löst dies normalerweise den Wegzugsbesteuerungstatbestand aus (§ 6 Außensteuergesetz).
Dafür muss vorausgesetzt sein, dass die steuerpflichtige Person während der letzten zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland war sowie innerhalb der vergangenen fünf Jahre mindestens ein Prozent der Anteile an einer beliebigen Gesellschaft besaß. Außerdem muss sie ihren deutschen Wohnsitz endgültig aufgeben.
Ob es sich um eine deutsche oder eine ausländische Kapitalgesellschaft handelt, spielt dabei keine Rolle. Weiterhin greift die Wegzugsbesteuerung, wenn folgende Tatbestände eintreten:
- Übergang von Anteilen aufgrund von Schenkung oder Tod auf eine nicht in Deutschland unbeschränkte steuerpflichtige Person
- Wohnsitz wird zwar beibehalten, aber der Steuerpflichtige wird nach Doppelsteuerungsabkommen im anderen Staat als ansässig angesehen
- Einlage von Anteilen in einen Betrieb oder eine Betriebsstätte in einem ausländischen Staat
- Deutschland darf Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung nicht länger besteuern.
Fazit
Die Wegzugsbesteuerung fällt an, wenn man als Gesellschafter oder natürliche Person mit Anteilen an einer Kapitalgesellschaft den eigenen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Es handelt sich dabei um eine Methode des Staates, mit der Kapitalflucht ins Ausland verhindert werden soll.
Im Jahr 2022 wurden die Regelungen noch einmal deutlich verschärft, weshalb sich viele Menschen einen Wegzug aus Deutschland nicht mehr leisten können und deswegen davor zurückschrecken.
Allerdings gibt es Möglichkeiten, mit denen man die Wegzugsteuer effektiv verringern oder sogar vermeiden kann. Dafür kommen eine geplante Rückkehr infrage oder die vorteilhafte Bewertung der Firma durch einen Gutachter.
In jedem Fall muss man bedenken, dass die Vermeidung der Wegzugsbesteuerung nicht einfach ist und der Teufel im Detail liegt. Deswegen empfiehlt es sich immer, mit einem Steuerberater oder einer Steuerberaterin über die eigene Situation zu sprechen. So lässt sich am besten herausfinden, ob man den Wegzug aus Deutschland wagen kann und zu welchen Bedingungen hinsichtlich der anfallenden Steuer dies möglich ist.
Bildquellen:
- pexels-anton-uniqueton-3823093: Foto von Anton Uniqueton: https://www.pexels.com/de-de/foto/weisser-und-roter-bus-vor-dem-braunen-betongebaude-3823093/