Die deutsche Wirtschaft tritt 2024 auf der Stelle. Für das dritte Quartal des Jahres rechnet das Institut für Weltwirtschaft sogar mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik. Die Gründe: internationale Krisen, Inflation und eine geringe Konsumlaune der Bürger. Darunter leiden insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen. Um diesen verstärkt unter die Arme zu greifen, verabschiedete der Deutsche Bundestag am 27. November 2023 das sogenannte Wirtschaftschancengesetz. Am 22. März 2024 stimmte der Bundesrat den bis dahin angepassten Steuererleichterungen für mehr Wirtschaftswachstum zu.
Welche steuerlichen Anreize bietet das Wachstumschancengesetz kleinen und mittelständischen Unternehmen?
3,1 Millionen Unternehmen in Deutschland – und damit 99,3 Prozent der Gesamtzahl – zählten im Jahr 2022 zu den KMU. Damit liegt ein großer Teil der deutschen Wirtschaftsleistung auf ihren Schultern. Das Problem: Viele kleine und mittelständische Unternehmen straucheln, denn:
- es fehlt ihnen an Mitarbeitern
- hohe Steuerabgaben senken die Einnahmen
- organisatorische Belange nehmen Zeit und Leistungskapazitäten in Beschlag
Gegen diese Probleme soll das Wachstumschancengesetz, kurz WCG, helfen. Die darin festgehaltenen Steueränderungen für Unternehmen zielen darauf ab, deren Wachstumschancen zu verbessern und Innovationen zu fördern. Hauptsächlich handelt es sich um Steuervereinfachungen, die dazu beitragen, Zeit und Kosten einzusparen.
Ein Plus für Kleinunternehmer: Der Bürokratieaufwand sinkt
Eine Steuererleichterung im Wachstumschancengesetz kommt speziell Kleinunternehmern zugute, denn ab dem Steuerjahr 2024 brauchen sie beim Finanzamt keine Umsatzsteuererklärung mehr einzureichen. Das spart organisatorischen Aufwand und damit Zeit, die sich wiederum ins Geschäft investieren lässt.
Aber Achtung: Die Abgabe der Umsatzsteuererklärung kann für Kleinunternehmer dennoch verpflichtend sein, wenn ihr zuständiges Finanzamt explizit danach verlangt.
Mehr Finanzierungsspielraum durch eine veränderte Ist-Besteuerung
Unternehmen, die mindestens zwei Jahre in Folge ein Jahreseinkommen von über 22.000 Euro erwirtschaften, fallen aus der Kleinunternehmerregelung heraus. Sie müssen verpflichtend eine Umsatzsteuererklärung abgeben. Dabei wird zwischen zwei Varianten gewählt: der Soll- und der Ist-Versteuerung. Bei Ersterer wird die Umsatzsteuer zu dem Zeitpunkt abgeführt, an dem die Leistung erbracht wurde. Bei Letzterer ist sie erst dann fällig, wenn der Kunde bezahlt hat und das Geld auf dem Unternehmenskonto landet.
Bisher beschränkte sich die Möglichkeit, die Ist-Versteuerung zu wählen, auf Unternehmen mit weniger als 600.000 Euro Umsatz im Jahr. Das Wachstumschancengesetz verschiebt diese Grenze nach oben, nämlich auf 800.000 Euro Umsatz. Das bedeutet für deutlich mehr Betriebe, sie können ihre Umsatzsteuer dann zahlen, wenn sie das Geld tatsächlich erhalten. Im Gegensatz zum früher notwendigen Vorausfinanzieren bringt ihnen das mehr wirtschaftliche Flexibilität. Diese kann wiederum genutzt werden, um die Belegschaft aufzustocken oder in klimafreundliche Technik zu investieren.
Weniger Organisationsaufwand durch eine Anhebung der Grenze für Umsatzsteuervoranmeldungen
Hinsichtlich der Umsatzsteuer bringt das WCG einen weiteren steuerlichen Anreiz für Unternehmen mit sich. Die Pflicht, eine Umsatzsteuervoranmeldung zu tätigen und die entsprechenden Beiträge an das Finanzamt zu zahlen, steigt von 1.000 Euro Umsatz im Quartal auf 2.000 Euro. Kleine Unternehmen oder Soloselbstständige, die regelmäßig weniger Umsatzsteuer innerhalb der Voranmeldungsfrist einnehmen, können auf die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung verzichten. Das erspart ihnen zeitlichen Aufwand.
Zudem entfallen die vierteljährlichen Teilzahlungen der Umsatzsteuer; stattdessen wird sie komplett nach dem Einreichen der Umsatzsteuererklärung gezahlt. Dadurch entsteht mehr finanzielle Flexibilität, die dem Innovationsbestreben zugutekommen.
Tipp: Die Grenzanhebung für Umsatzsteuervoranmeldungen greift erst ab dem Besteuerungszeitraum 2025. Demnach müssen auch Unternehmen, die im Quartal weniger als 2.000 Euro Umsatz machen, im Jahr 2024 regelmäßig ihre Umsatzsteuervoranmeldung ausfüllen.
Einfachere Buchführung dank höherer Grenzen für die Gewinnermittlung mit EÜR
Bisher durften Unternehmen, die weniger als 600.000 Euro Umsatz oder 60.000 Euro Gewinn erwirtschaften, für ihre steuerliche Gewinnermittlung die Einnahmen-Überschuss-Rechnung verwenden. Betriebe, die diese Grenze überschritten, waren dagegen buchführungspflichtig, was heißt, sie mussten zur doppelten Buchführung und der Bilanzierung wechseln. Im Vergleich zur EÜR bedeutete das deutlich mehr zeitlichen und organisatorischen Aufwand.
Das Wachstumschancengesetz zielt darauf ab, mehr Unternehmen in Deutschland organisatorisch zu entlasten. Daher verschiebt sich die Grenze, ab der die doppelte Buchführung verpflichtend wird, auf 800.000 Euro Umsatz oder 80.000 Euro Gewinn im Jahr.
Mehr finanzieller Spielraum durch die degressive Abschreibung
Die Anschaffung neuer Wirtschaftsgüter bedeutet insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen eine finanzielle Belastung. Durch die jährliche steuerliche Abschreibung lassen sich die Kosten ein wenig abmildern, bislang konnten sich Unternehmer jedoch nur für die lineare Abschreibung entscheiden.
Betriebsausstattung, die zwischen dem 1. April und dem 31. Dezember 2024 angeschafft wurde, darf laut dem Wachstumschancengesetz auch degressiv abgeschrieben werden. Der Abschreibungswert liegt dabei bis zu zweimal höher als beim linearen Satz. Allerdings beschränkt er sich auf maximal 20 Prozent des Kaufpreises oder Restwerts. Durch die degressive Abschreibung profitieren Betriebe nach einer im genannten Zeitraum erworbenen Neuanschaffung in den nächsten Jahren von höheren Betriebsausgaben in der Einkommenssteuererklärung. Das führt zu größeren steuerlichen Entlastungen.
Bildquellen:
- KMU: Amnaj [email protected]
- Steuerliche Anreize für KMU: Yuri [email protected]