1. Der Planungs-Faktor
Natürlich stimmt es, dass jedes Ersatzteil so lange totes Kapital ist, bis es benötigt wird. Allerdings sollte das nicht der ausschlaggebende Punkt sein, Bevorratung gänzlich zu verbannen. Vielmehr ist es ein Argument dafür, die Bevorratung so effektiv wie möglich zu gestalten. Das bedeutet, man muss sich darüber klar werden, was
- durch seine generelle Konstruktion ein höheres Ausfallrisiko hat. Darunter fallen grundsätzlich alle Verschleißmaterialien angefangen beim Toner über Keilriemen bis hin zu Betriebsflüssigkeiten
- zwar kein erhöhtes Ausfallrisiko hat, aber bei einem Schaden weitreichende Folgen durch Stilllegung weiter Teile des Arbeitsprozesses nach sich ziehen würde – das kann beispielsweise ein simpler WLAN-Router sein, aber auch ganze Förderbänder.
Anhand dieser Leitlinien sollte in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern und Service-Personal eine Liste dessen erstellt werden, was unbedingt gelagert werden sollte. Dabei sollte man sich allerdings nicht nur auf das eigentliche Teil fokussieren, sondern auch sein Umfeld. Gibt es beispielsweise an einer Maschine einen Riementrieb, ist es zweckmäßig nicht nur die Riemen als solche zu bevorraten, sondern auch die dazugehörigen passenden Antriebsscheiben sowie etwaige Lager. Für Computer sollte nicht nur das Netzteil vorrätig gehalten werden, sondern auch die damit verbundenen Kaltgerätestecker.
Daraus ergibt sich ein Grundstock. Das damit verbundene Zwischenfazit dieses Kapitels lautet: was kaputtgehen kann, wird getreu Murphys Law auch kaputtgehen. Und oft genug wird es auch noch weitere Teile in Mitleidenschaft ziehen.
2. Der Versorgungs-Faktor
Dabei ist Lagerhaltung nicht nur eine Schutzmaßnahme gegen die unmittelbaren Auswirkungen von Schäden. Viel mehr ist es die Antwort darauf, dass es heute vielfach keine übergeordnete Lagerhaltung mehr gibt:
In vielen Industriezweigen hat sich das „Just in Time Prinzip“ so tief durchgesetzt, dass dort, wenn überhaupt, nur noch geringste Mengen an Ersatzteilen überhaupt vorrätig gehalten werden. Je länger der Zeitfaktor ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man nichts mehr bekommt. Tatsächlich ist das heute auch im B2B-Bereich ein großes Problem. Die Meldungen in den Medien sind voll von Beispielen, in denen nicht etwa Brände oder Hacker eine Firma stillstehen ließen, sondern oft genug nur kleinste Teile, die nicht mehr zu besorgen waren.
Vor wenigen Tagen etwa machte ein weiterer Ausfall eines Regierungsfliegers Schlagzeilen, diesmal die Maschine von Entwicklungshilfeminister Müller, der so in Malawi festsaß. Praktisch ein Paradebeispiel für dieses Kapitel. Denn obwohl Techniker eingeflogen wurden, mangelte es über Tage am notwendigen Ersatzteil.
Hier muss man abermals die Finanzen im Kopf halten und bedenken, wie weit die Kreise sind, die ein Schaden ziehen kann. Wenn der Ersatzteil-Pool bei den übergeordneten Stellen völlig ausgetrocknet ist, gibt es nur noch zwei Wege:
- Das Teil, sofern es möglich ist, als teures Einzelstück nachfertigen lassen
- Gleich die ganze Maschine ersetzen
Beides ist in jedem Fall ungleich teurer und langwieriger als einfach in das hauseigene Ersatzteilregal greifen zu können.
Deshalb gilt: Man sollte nie darauf vertrauen, im Schadensfall eine gesicherte Versorgungskette mit passenden Teilen vorzufinden. Das ist heute ob moderner Produktionsbedingungen vielfach nicht mehr realistisch
3. Der Zeitfaktor
Natürlich geht es auch andersherum. Nicht immer ergibt im Schadensfall die Nachfrage „das Teil gibt es nicht mehr“. Aber häufig genug lautet die Antwort „das muss erst bestellt werden, das kommt aus China, das dauert“.
Nun mag es vielleicht kein gravierendes Problem sein, wenn es ein einzelner Firmen-PC ist, der auf diese Weise lahmgelegt wird. Sprich, es tragfähige Ausweichmöglichkeiten gibt. Aber je ausgefallenem Gerät gibt es diese eben nicht. Dann ist man zum untätigen Warten verdammt. Jede Stunde, die dabei verstreicht, kostet ebenfalls und vielleicht ein Vielfaches dessen, was die Bevorratung des passenden Teils gekostet hätte – und mit etwas Pech führt es in einem sowieso schwankenden Unternehmen in das größte Problem von allen, die Insolvenz.
Für dieses Kapitel lautet das Fazit daher, dass selbst eine kurzfristige Anlieferung von Teilen immer ungleich länger dauern wird als es vorrätig zu haben.
4. Der Varianten-Faktor
Selbst von einem simplen Arbeitsgerät wie einem bestimmten Notebookmodell gibt es heute oftmals dutzende Varianten, die sich in Leistung und dementsprechend Teilen unterscheiden. Das wiederum ist der Ausgangspunkt für dieses Kapitel, denn in unheimlich vielen Bereichen sieht es ähnlich aus, werden von ein und demselben Gerät zig Varianten verkauft.
Das allein erhöht schon alle Probleme, die in den Kapiteln 2 und 3 erklärt wurden. Doch es kommt noch hinzu, dass die Variantenvielfalt oft das Zünglein an der Waage wird. Denn immer kann sie in der Versorgungskette ein schwaches Glied sein. Vielleicht ist das Steuergerät für Modell A8-6734 vorrätig. Vielleicht macht der Kommissionierer beim Heraussuchen der Bestellung aber einen Fehler und greift das Teil für Modell A8-7643. Und dann beginnt trotz theoretisch vorhandener Versorgung eine Abfolge von „Warten, Empfangen, Einbauversuch, Feststellung, Rücksendung, erneutes Warten“.
Allerdings sollte man daraus eine Lehre ziehen: Ersatzteilbevorratung ist ein ganzheitliches Konzept, zu dem auch gehört, niemals blind einzulagern, sondern so präzise wie möglich zu prüfen, ob es auch die korrekten Teile sind. Denn falsche Teile sind ebenso schlecht wie gar kein Teil.
Fazit
Ein Unternehmen ist immer der Versuch, eine Waage im Gleichgewicht zu halten. Hier Einnahmen, dort Ausgaben. Doch beim Thema Ersatzteile verwechseln viele die beiden Waagschalen. Natürlich sind Ersatzteile eine Ausgabe ohne unmittelbare positive Auswirkung. Aber wenn sie benötigt werden, wiegt allein der Vorteil ihrer sofortigen Verfügbarkeit alle Kosten auf, die sie bislang auferlegt haben.
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