Business-on.de sprach mit Paula Nicinski, die zusammen mit ihrem Geschäftspartner Konrad Nicinski vor zwei Jahren konic.pro gründete. Der Dienstleister hat sich darauf spezialisiert, andere Unternehmen dabei zu unterstützen, wirtschaftlich Fuß in Polen zu fassen. Wie das erfolgreich funktioniert und warum dabei Hilfe von nationalen Größen unbedingt notwendig ist, verrät uns Paula im Interview.
Paula Nicinski und ihr Geschäftspartner Konrad Nicinski bei der Founders League Live Show in Mannheim. „Wir stehen noch am Anfang unserer Reise – Networking und Aufklärungsarbeit machen einen großen Teil unserer derzeitigen Arbeit aus.“
Business-on.de: Frau Nicinski, wie kam es zu der Idee, deutsche Unternehmen bei der Expansion nach Polen zu unterstützen?
Paula Nicinski: Die Idee entstand aus dem Arbeitnehmerverhältnis heraus. Unser beruflicher Schwerpunkt liegt im Influencer Marketing. Hier haben wir früh ein großes Potenzial im polnischen Markt erkannt – insbesondere in Bezug auf die TKPs (A.d.R: Tausend-Kontakt-Preis; die Kennzahl zur Berechnung von Anzeigekosten stammt aus der Mediaplanung) ergeben sich für Unternehmen neue Möglichkeiten hinsichtlich der Reichweite. Unser Ziel ist es, die unterschiedlichen Sichtweisen der Influencer als Markenbotschafter und die der Marke selbst zusammenzubringen und für eine für beide Parteien gewinnbringende Kooperation zu sorgen. Dabei geht es zum einen um die Wertschätzung der eigenen Arbeit als auch um Schlüsselkennzahlen für das Unternehmen.
Paula Nicinski: “Da wo die Arbeit der Agenturen aufhört, fängt unsere erst an!”
Business-on.de: Die von Ihnen angedeuteten Hindernisse gibt es generell bei der Zusammenarbeit zwischen beiden Akteuren; etliche Social Media Agenturen haben sich auf die Kooperation von Unternehmen mit Influencern spezialisiert.
Paula Nicinski: Richtig. Unser Know-how liegt tiefer und reicht von Email- und Performance-Marketing bis zur Übersetzung der Webseite und der Dienstleistung an sich. Dazu bieten wir das benötigte kulturelle Feingefühl. Bei internationalen Kampagnen sollten sich um den letzten Schliff immer auch Natives kümmern. Da wo die Arbeit der Agenturen in der Regel aufhört, fängt unsere erst an.
Business-on.de: Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Wäre ich eine Unternehmerin, die aufgrund ihrer familiären Wurzeln ihr Geschäft nach Polen ausdehnen möchte, wie könnten sie mir helfen?
Paula Nicinski: Im ersten Schritt stehen die Fragen: Was ist mein Produkt, welchen Mehrwert hat es, wen möchte ich ansprechen, was ist meine Zielgruppe? Dahingehend beschäftigen wir uns mit der Auswahl der passenden Influencer sowie mit der Anpassung der Webseite. Bei internationalen Kampagnen generell gilt es, die Influencer in der Muttersprache zu kontaktieren sowie deren rechtliche Anforderungen zu berücksichtigen. Außerdem muss die Webseite in die Landessprache übersetzt werden. Immerhin sollten nicht nur die Influencer die Inhalte verstehen, sondern auch die potenziellen Kunden.
Für den polnischen Markt gelten nicht nur kulturelle Besonderheiten, sondern auch sprachliche: Die polnische Sprache hat sieben Fälle – Ki gesteuerte Übersetzungsmaschinen können eine authentische Übersetzung kaum leisten. Das muss von Native Speakern übernommen werden, um die Feinheiten der Sprache wie Redewendungen, aber auch Sprachmelodie, Intonation und Färbung zu treffen. Zur Weboptimierung zählt vor allem auch der Checkout, der an die polnischen Vorlieben angepasst werden muss. Gerade hier lässt sich nicht alles eins zu eins aus Deutschland übernehmen. Die Polen sind stark digitalisiert, aber immer noch werden 40 Prozent der online getätigten Bestellungen per Nachnahme versandt.
Einer der größten Unterschiede macht der Versand an sich. InPost ist der Versanddienstleister Nummer eins in Polen. Besonders Paketautomaten funktionieren super und sind extrem gefragt.
“Wer den polnischen Markt erreichen möchte, darf die kulturellen Gegebenheiten nicht vergessen”
Business-on.de: Mal von den üppigen Steuervergünstigungen abgesehen, mit denen ausländische Unternehmen derzeit angelockt werden, um die Wirtschaft anzukurbeln, warum lohnt sich der polnische Markt?
Paula Nicinski: Wir sind auf Betriebe spezialisiert, die ihre Produkte und Dienstleistungen nach Polen erweitern möchten. Und dahingehend bietet der polnische Markt zahlreiche Vorteile. Darüber hinaus unterstützen wir auch Unternehmen, die eine Gründung in Polen planen – beispielsweise unter anderem wegen der angesprochenen Steuervorteile. Hier begleiten wir sowohl sprachlich als auch kulturell.
Business-on.de: Allerdings stagniert die Infrastruktur, die Kaufkraft ist gering und die Stimmung soll laut dem jüngsten Wirtschaftsbarometer eher mies sein. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine Expansion…
Paula Nicinski: Die Kaufkraft in Polen ist im Vergleich zu Deutschland niedrig. Aber in Polen boomt vor allem die E-Commerce-Sparte. Und der Need hat eine ausschlaggebende Wirkung. Hier können gerade junge Unternehmen sich gut positionieren. Nicht zu unterschätzen ist insbesondere die Expansion der Polen selbst: Von 38 Millionen Einwohnern, die Polen derzeit zählt, leben weitere 20 Millionen außerhalb des eigenen Landes. Zehn Millionen davon alleine in den USA, drei Millionen in Brasilien, zwei Millionen in Deutschland. Ihre Kaufkraft sollte nicht unterschätzt werden. Dabei ist zu beachten: Polen sind stark vernetzt und in ihrer Herkunft emotional tief verankert. Die meisten Polen in Deutschland pflegen Bindungen zu ihrem Heimatland und halten die Kultur aufrecht; wir sprechen in der Familie polnisch und beziehen viele der für uns relevanten Informationen über polnische Medien. Gerade in Bezug auf das Konsumverhalten. Wer diese Zielgruppe erreichen will, darf die kulturellen Gegebenheiten nicht vergessen.
Business-on.de: Sie haben den boomenden E-Commerce angesprochen. Bis 2027 soll der Umsatz auf 20 Milliarden Euro anwachsen. Welche Tipps habt Ihr hier für Unternehmen, die sich neu aufstellen wollen?
Paula Nicinski: Sich anpassen, Native Speaker mit an Bord holen, den Schwerpunkt auf das Influencer Marketing legen und sich Begleitung für die gesamte Kampagne holen. Nicht alles, was auf dem deutschen Markt funktioniert, geht auch in Polen. Wir sehen uns hier als Orientierung und begleiten bei den genannten Punkten.
Aufklärungsarbeit: “Klischees müssen oft korrigiert werden!”
Business-on.de: Inwieweit sind hier Klischees noch von Bedeutung?
Paula Nicinski: Dass sie sehr oft korrigiert werden müssen. Viele Klischees sind total überaltert. Hier müssen wir viel Aufklärungsarbeit leisten.
Natürlich stimmt es, dass polnische Frauen großen Wert auf ihr Äußeres legen, sie gehen regelmäßig zum Frisör und oft zur Maniküre. Und auch Trends werden mit großem Interesse verfolgt. Aber im Grunde ist immer der richtige Brand-Fit ausschlaggebend. Die Botschaft muss zur Marke passen und die gewollte Zielgruppe ansprechen. Die Gen Z sucht nach etwas ganz anderem als die Gen X.
Business-on.de: Um trotzdem bei den Klischees zu bleiben: Den Polen wird nachgesagt, sie seien vom Typ her eher Italiener? Ist da was wahres dran?
Paula Nicinski: (lacht): Ja, wir können sehr laut sein. Der Bedarf nach Komunikation in Polen ist hoch. Marketing ist eine lebendige und teilweise leidenschaftliche Performance. Aber hier sollte ebenfalls nicht verallgemeinert werden. Auch sachliche und nüchterne Botschaften kommen an.
Business-on.de: Für welche Branchen lohnt sich die Expansion am meisten?
Paula Nicinski: Alles, was einen Need hat, kommt derzeit gut an. Beauty, Hygieneartikel und Nahrungsergänzungsmittel sind stark gefragt. Aber auch Themen wie Nachhaltigkeit stehen im Fokus.
Business-on.de: Wie beurteilen Sie knapp zwei Jahre nach der Gründung von konic.pro ihre Entwicklung vor allem in Bezug auf die rasante Nachfrage nach dem polnischen Markt?
Paula Nicinski: Ich habe ein gutes Gefühl, was unser Timing angeht. Das Personal Branding funktioniert, insbesondere über Linkedin haben wir vielversprechende Kontakte geschlossen. Unser Fokus liegt derzeit auf dem Networking und auf der Aufklärungsarbeit. Mit Primabiotic, kolsquare und InPost haben wir bereits wertvolle Kooperationen schließen können. Aber wir stehen noch am Anfang unserer Reise.
Business-on.de: Und was sind Ihre Ziele?
Paula Nicinski: Wir wollen uns weiter auf die Akquise konzentrieren und auf Events, wo wir bislang sehr gute Erfahrungen machen konnten, so zum Beispiel mit der Founders League, die uns als Gründer starken Mehrwert bietet. Unser langfristiges Ziel ist natürlich ein kontinuierliches Wachstum.
Frau Nicinski, vielen Dank für das Gespräch!