Ein Blick zurück
Seit Henry Ford vor mehr als einem Jahrhundert den Fertigungsprozess entwickelt hat, betrachten wir unsere Arbeitswelt als eine pyramidenförmige Struktur mit hierarchischen Befehlsketten. Die Motivation der Arbeitnehmer:innen ergibt sich dabei meist aus der Möglichkeit, im Laufe der Zeit innerhalb der Befehlskette aufzusteigen. Mitarbeiter:innen, die lange im Büro sitzen, rund um die Uhr auf E-Mails antworten und damit auch gerne die eigene Freizeit opfern, galten bis dato als besonders engagiert.
Die Ironie dabei ist, dass es nicht erwiesen ist, dass diese zusätzlichen Stunden zwangsläufig zu mehr Leistung oder zum allgemeinen Unternehmenserfolg beitragen. Manchmal ist sogar genau das Gegenteil der Fall. Diese Art der Arbeitskultur und ihr Zusammenhang mit Burnouts am Arbeitsplatz sind bekannt. Es gibt unzählige Studien, die zeigen, wie Überarbeitung und der daraus resultierende Stress den Menschen schaden und sich auch negativ auf den Erfolg des Unternehmens auswirken können.
Arbeitszeit und Produktivität
In der Hochphase der Pandemie mit monatelangen Lockdowns hatten die Unternehmen plötzlich nicht mehr die Möglichkeit, die Arbeitszeiten der Mitarbeiter:innen penibel zu kontrollieren. Mehr und mehr stand der Output der geleisteten Arbeit im Fokus – und nicht der Zeitraum. Und entgegen der Annahme vieler Führungskräfte ging der Output nicht zurück, viele Mitarbeiter:innen waren sogar produktiver.
Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass Mitarbeiter:innen im neuen Setting gelernt haben, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu arbeiten. Remote-Arbeit setzt nicht nur Organisationstalent und ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit, sondern auch Eigenverantwortung voraus. Gelingt das gut, fühlen sich Mitarbeiter:innen in ihrem Arbeitsalltag mit flexibleren Strukturen plötzlich viel freier und vor allem motivierter.
Verfügen Sie zudem über die Autonomie, die Ihnen zugewiesenen Aufgaben so zu bearbeiten, dass Ihre Leistung maximiert wird, arbeiten Sie unter ganz anderen Voraussetzungen und sind produktiver. Wir Menschen kennen uns selbst am besten und daher sollten Mitarbeiter:innen die Flexibilität haben, sich ihre Zeit so individuell wie möglich einzuteilen. Dann ist es für die meisten auch in Ordnung, wenn ein Arbeitstag mal länger als acht Stunden beansprucht. Denn es sind die Selbstbestimmung und die Flexibilität, die zusätzlich anspornen.
Flexibilität ist gefordert
Die neue Generation von Arbeitnehmer:innen ist engagiert und unabhängig, unternehmerisch denkend und hoch qualifiziert. Eine kürzlich im Auftrag von Fiverr durchgeführte Studie zur Einstellung der GenZ zur Arbeitswelt zeigt, dass Flexibilität im Job, eigenverantwortliche Handlungsfreiheit sowie ortsunabhängiges Arbeiten zu den wichtigsten Faktoren gehören. Die Parameter einer erfolgreichen Karriere sowie die Ambitionen der jungen Generation sind von Selbstbestimmung geprägt. Sie möchten nicht mehr in Unternehmen mit pyramidenförmigen Systemen arbeiten. Schließlich entspricht das nicht mehr ihren Werten und Vorstellungen.
Besonders im Hinblick auf den Fachkräftemangel in Deutschland müssen sich Unternehmen auf diese Tatsache einstellen und ihre Strukturen anpassen, um den neuen Anforderungen von Arbeitnehmern:innen gerecht zu werden. Die Schaffung von flexibleren und individuellen Rahmenbedingungen ist dabei die Grundvoraussetzung, um gute Talente zu halten.
Liquid Workforce für mehr Agilität
Zudem sollten Unternehmen in diesem Zusammenhang über das Recruitment von Talenten hinaus die eigenen Strukturen überdenken. Wenn es darum geht, dass bestimmte Projekte abgeschlossen werden sollen, lohnt sich auch ein Blick auf das Arbeitsmodell der „Liquid Workforce“, wonach die Arbeit im Unternehmen flexibler und agiler verteilt wird und es weniger darauf ankommt, dass alle Mitarbeiter:innen vor Ort im Büro sind. Der Begriff „liquid“ beschreibt in diesem Zusammenhang auch die Fähigkeit des Unternehmens, den Personalbedarf flexibel zu decken – sowohl bei rückläufigen Geschäften als auch zu Stoßzeiten. Außerdem können speziell benötigte Expertisen nach Bedarf für einen bestimmten Zeitraum durch externe Talente abgedeckt werden. Vorausschauende Unternehmen setzen in Ergänzung zu ihrer eigenen Belegschaft auf hoch qualifizierte Freiberufler:innen.
Mit gemischten Teams aus festen Mitarbeiter:innen und Freelancer:innen eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten. Solche Teams sind besonders produktiv, verfügen über einen wertvollen Mix aus Expertisen und bringen – für den regelmäßigen Blick über den Tellerrand – ein hohes Maß an Diversität mit.
Unternehmen müssen die Erkenntnisse der letzten drei Jahre integrieren, um den Erfolg in den kommenden Jahrzehnten zu sichern. Wir leben in einem dynamischen, sich schnell entwickelnden Geschäftsumfeld. Es ist an der Zeit, aus den pyramidenförmigen Unternehmensstrukturen der Vergangenheit auszubrechen und sich auf die “fließende” Zukunft einzulassen.
Autor:
Florian Müller
Florian Müller ist Country Manager DACH bei der Freelancer-Plattform Fiverr. Der Experte für digitales und strategisches Marketing verantwortet den Geschäftsausbau in der DACH-Region. Er ist zudem zuständig für die Lokalisierung des Marktplatzes, um die Erfahrungen für Unternehmen und Freelancer:innen auf Fiverr zu optimieren.
Bildquellen:
- Florian Müller: Fiverr
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