Inwiefern hat sich das Image und die Bekanntheit der NÜRNBERGER Versicherung in den letzten Jahren gewandelt?
Als ich 2015 zur NÜRNBERGER kam, habe ich genau das vorgefunden, was sich viele Menschen als Archetyp eines Versicherungsunternehmens vorstellen: ein bodenständiges,
von festen Hierarchien und strengen Traditionen geprägtes Unternehmen. Wenig fortschrittlich, sehr rückwärtsgewandt. Die Marke NÜRNBERGER Versicherung war über die
Jahre hinweg verblasst.
Inzwischen nimmt die Öffentlichkeit die NÜRNBERGER wieder als eines der großen Unternehmen der Versicherungsbranche in Deutschland wahr: Vier Millionen Kunden
vertrauen unserem Schutz, unsere Werbespots laufen im TV. Wir trauen uns offen, Themen zu setzen und gehen in der Kommunikation frische Wege.
Dieser Wandel ist dabei nicht nur extern, sondern auch zudem in der Belegschaft zu spüren. Die NÜRNBERGER sind stolz, NÜRNBERGER zu sein und strahlen das auch aus.
Mit welchen Maßnahmen wurde dieser Wandel eingeleitet?
Bei der NÜRNBERGER standen die Zeichen auf Start. Sowohl die Vorstandsmitglieder als auch die Mitarbeitenden zeigten sich bereit für eine Veränderung. Die öffentliche
Markenbekanntheit war stark abgesunken.
So führten wir eine komplette Umgestaltung des Unternehmensbereichs Marketing durch und lenkten die Ausrichtung hin zur Onlinevermarktung unserer Produkte sowie der Kundenzentrierung. Dabei nahmen mein Team und ich zügig die komplette Repositionierung der Marke inklusive CD-Neuentwicklung in Angriff und setzten sie in kurzer Zeit um.
Mit der Vision „Wir wollen, dass Menschen einfach den passenden Schutz finden“ und dem daraus abgeleiteten Markendesign legten wir das Fundament.
An welchem Punkt des Lebenszyklus eines Unternehmens empfehlen Sie, sich Gedanken zum Thema Markentransformation zu machen und wie begründen
Sie dies?
Wenn die Marke nicht mehr strahlt und die Relevanz nicht gegeben ist. Folglich leidet die Bekanntheit: Das heißt, keiner kann sich mehr an das Unternehmen und seine Leistung
erinnern. Dann ist meist der Leidensdruck der Belegschaft derart groß, dass die Zeit gekommen ist, einen Wandel einzuleiten. So gut wie alle Unternehmensbereiche und
-ebenen sind jetzt offen für einen Umschwung.
Was sind die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Markentransformation?
Da gibt es sicher viele, zum Beispiel den richtigen Zeitpunkt, ein klares Zielbild, ein gutes Team. Aber am wichtigsten ist es in meinen Augen, als Treiber und Initiator unabhängig zu
bleiben – sich nicht vom „System“ zu stark vereinnahmen zu lassen.
Fange ich nämlich an, mich dem Umfeld zu sehr anzupassen, taktiert man, wägt ab und
nimmt Tempo aus der Sache. Dadurch wird es schwer, neue Impulse zu setzen. Und genau die braucht es aber, um weiterzukommen. Es sollen und müssen ja schließlich Grenzen
überschritten werden, damit etwas Neues entstehen kann. Einfach mal machen – ohne jegliche Bedenken ins Kalkül zu ziehen – kann Wunder bewirken. Oder zumindest eine
Veränderung einleiten.
Was sehen Sie als die größte Herausforderung in einem Markentransformationsprozess?
Alle mitzunehmen! Es ist wichtig, die Transformation nicht mit einem Rebranding gleichzusetzen. Der Prozess greift tiefer in die Unternehmenskultur ein: Es wird praktisch das Ganze nach und nach und manchmal subtil infrage gestellt. Deshalb müssen sämtliche relevanten Stakeholder mit ins Boot geholt werden. Allen voran die Mitarbeitenden, sie sind
ja wichtige Markenbotschafter.
Für sie wird die Transformation aber erst in ihrer visuellen Form (be-)greifbar – etwa im Rahmen eines neuen Corporate Designs.
So war das auch im Markenprozess der NÜRNBERGER: Logo und Schrift wurden klarer, die Bildwelt transportierte die Vision und die Farben repräsentierten unsere Markenwerte. Die
Haltung der Belegschaft passte sich an, natürlich unterstützt von diversen Change-Maßnahmen. Emotionalität und das Erzeugen von Begeisterung sowie das Stärken des Wir-Gefühls waren dabei immens wichtig.
Welche Besonderheiten sehen Sie in der Versicherungsbranche? Gibt es hier besondere Aspekte, die zu beachten sind?
Die Versicherungsbranche ist traditionell auf Langfristigkeit und Stabilität ausgerichtet. Deshalb stehen sie dem Wandel tendenziell ablehnend gegenüber. Die Marke und der
Fokus auf die Bedürfnisse des Kunden waren lange Zeit von eher untergeordneter Bedeutung. Dies ändert sich erst allmählich – in Relation zu anderen Branchen sehr spät.
Welche Rolle spielt die interne Kommunikation in solch einem Prozess?
Der Druck bei Markentransformationen ist auf alle Beteiligten besonders groß. Unter den Mitarbeitenden verursacht das immer Unsicherheit. Hier braucht es unterschiedliche
Maßnahmen, um ihnen die Chancen und Vorteile der Transformation aufzuzeigen. Damit das gewährleistet werden kann, muss die interne Kommunikation alle Register ziehen: von
Informationsveranstaltungen, regelmäßigen Berichten und Videos im Intranet, großen Markenevents bis hin zu kontinuierlichen Markenschulungen. Das Erzeugen von Nähe sowie
das Einbeziehen der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse war uns sehr wichtig und hat enorm geholfen.
Was ist in Bezug auf das Timing zu beachten?
Das Timing beziehungsweise der richtige Moment ist essenziell für den Erfolg eines Markentransformationsprozesses. Wie beim Wellenreiten muss ich wissen, wann ich eine
Welle nehmen soll, das heißt, wann die Zeit reif ist, ein Thema anzusteuern. Denn eine gute Welle, der richtige Augenblick, trägt mich einfach weiter – liefert Kraft und Energie, die ich
nutzen kann. Mit ihr komme ich schneller ans Ziel, ganz ohne Zutun. Ist der Zeitpunkt falsch, laufen die besten Gedanken ins Leere. Wer kein Gehör findet, darf aber nicht verzweifeln,
sondern muss eine neue Gelegenheit abwarten, um das Thema wieder einzubringen.
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf Ihre Ziele in der Markenführung?
In einem globalisierten und sich zunehmend schneller verändernden Markt stehen Unternehmen mächtig unter Strom. Wer sich dem Wandel verschließt, droht zu verlieren. Geschäftsmodelle und Marken müssen sich ständig überprüfen und erneuern. Die Digitalisierung unterstützt unsere Ziele positiv – sei es hin zu mehr Menschenzentrierung
oder auch in Sachen Direktvertrieb. Sie fordert uns aber auch auf, rascher und flexibler zu werden. Wir müssen imstande sein, zügiger auf sich bietende Chancen zu reagieren, diese
zu nutzen – ohne allerdings unsere Markenwerte aus den Augen zu verlieren. Sie sind ein wichtiger Anker in einer sich stark verändernden Welt.
Wie formuliert man am besten die Ziele für einen Transformationsprozess?
Proaktiv mit einer Kombi aus dunkler Schokolade und einem Gläschen Rotwein – und natürlich im Team.