Dennis Fouladfar ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Insolvenz- und Gesellschaftsrecht sowie Mediator. Er ist Partner in der Achsnick Pape Opp Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln und berät seit über zehn Jahren bundesweit mittelständische Unternehmen in Krisensituationen. Ferner ist Fouladfar Mitinitiator und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Mediation in Restrukturierung und Insolvenz e.V. Mit Business-on.de spricht er über seine Rolle im Insolvenzverfahren, schwarze Schafe und die Chance auf einen Neuanfang…
Business-on.de: In welcher Situation kommen Sie ins Spiel: Bei drohender Insolvenz oder während der Insolvenz; sind Sie Berater, Vollstrecker oder Begleiter?
Dennis Fouladfar: Es kommt darauf an, wie Anwälte gern zu sagen pflegen. Die spezifische Rolle, die wir einnehmen, hängt stark von den individuellen Umständen und unserem Auftrag ab. Unsere typischen Mandanten sind mittelständische Unternehmen, die sich in akuter Gefahr einer Insolvenz befinden. Häufig ist ein Insolvenzgrund – meist Zahlungsunfähigkeit – bereits eingetreten oder droht einzutreten. Das bedeutet, dass die Unternehmen kurz davor stehen, ihre finanziellen Ressourcen zu erschöpfen. In diesen Fällen ist unsere Hauptaufgabe, die Geschäftsführung sowie das Unternehmen vor potenziellem Schaden zu schützen. Erreicht wird das primär durch Beseitigung der Insolvenzursache oder, falls dies nicht möglich ist, durch fristgerechte Stellung eines Insolvenzantrags.
Solche Situationen können insbesondere für die Geschäftsführung äußerst kritisch sein. Diese Fälle repräsentieren die klassische Ausrichtung unserer Kanzlei: Haftungsvermeidung und Werterhaltung durch Unterstützung beim Turnaround des Unternehmens.
Zusätzlich dazu verändert sich das Insolvenzrecht ständig und ist schon lange nicht mehr ausschließlich auf Abwicklung fokussiert. Stattdessen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, das Unternehmen im Rahmen eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens zu gestalten und neu auszurichten. Solche Prozesse begleiten wir ebenfalls.
Business-on.de: Unternehmen warten zu lange, bis sie die Insolvenz öffentlich machen. Woran liegt das?
Dennis Fouladfar: Die Gründe dafür, dass Unternehmen zögern, einen Insolvenzantrag zu stellen, sind vielfältig. In den meisten Fällen hegen die Verantwortlichen die Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage. Oftmals besteht die Erwartung, dass nur ein bestimmter Auftrag eintreffen, eine bestimmte Zahlung geleistet werden muss, oder dass sich die Marktlage wieder ändert. Aus der Außenperspektive mag das banal erscheinen, aber es ist wichtig, sich in diese Situation hineinzuversetzen.
“Entscheidungen sind nicht immer richtig. Das gehört zum Geschäftsleben dazu!”
Business-on.de: Die Hoffnung scheint auf speziellen Wendepunkten aufgebaut. Betrifft dies auch den Grund für die finanzielle Schieflage?
Dennis Fouladfar: Es ist selten ein einziges Ereignis, das eine unausweichliche Insolvenz markiert. Vielmehr handelt es sich um kontinuierliche Prozesse, die schrittweise an Dynamik gewinnen.
Ansteigende Kosten, die nicht an Kunden weitergegeben werden können, sinkende Absatzzahlen, das erste Jahr mit Verlusten – all das kann dazu führen, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, die jedoch keine Verbesserung bringen. Weitere Verluste sammeln sich an und plötzlich wird das Geld knapp. Unternehmen können ihre Lieferanten nicht mehr pünktlich bezahlen, der Druck nimmt zu und Führungskräfte verbringen mehr Zeit damit, ad-hoc Management zu betreiben, als das Geschäft weiterzuentwickeln. Viele Unternehmer geraten in eine Art Tunnelblick und verlieren den Überblick. Spätestens wenn die Finanzierer Druck ausüben, wird es ungemütlich.
Business-on.de: Zögerliches Verhalten als Teil der Negativspirale?
Dennis Fouladfar: Im Nachhinein ist es leicht, mit dem Finger auf die Unternehmer zu zeigen und zu behaupten, sie hätten zu spät reagiert und Fehler gemacht. So einfach sollte man es sich nicht machen. Gleichzeitig ist bekannt, dass die meisten Insolvenzen tatsächlich auf Managementfehler zurückzuführen sind. Unternehmer müssen Entscheidungen treffen und diese sind nicht immer richtig. Das gehört zum Geschäftsleben dazu.
Business-on.de: Was obliegt Ihrer Meinung nach: Eine psychische Hemmschwelle, Verdrängung oder Kalkül?
Dennis Fouladfar: Das ist eine gute Frage. In manchen Fällen sind Unternehmer tatsächlich ziemlich abgebrüht. Die besonders schlimmen Fälle, die als „Kriminalinsolvenzen“ bezeichnet werden, finden oft breite Medienpräsenz. In den meisten Fällen, mit denen ich zu tun habe, handelt es sich jedoch eher um eine psychische Hemmschwelle oder Verdrängungsmechanismen.
“Insolvenz fühlt sich wie Versagen an. Das kann eine hemmende Wirkung auslösen.”
Business-on.de: Können Sie dazu ein Beispiel nennen?
Dennis Fouladfar: Betrachten wir beispielsweise den Fall eines Gesellschafter-Geschäftsführers: Er hat sein Geschäft aufgebaut und muss nun zuschauen, wie alles unter seiner Führung zugrunde geht. Vor einigen Jahren wurde ich von externen Geschäftsführern in ein mittelständisches Unternehmen gerufen. Nach nur einer Stunde Erstgespräch war mir klar, dass das Unternehmen in ernsten Schwierigkeiten steckte. Der Gesellschafter-Geschäftsführer – ein typischer Patriarch, über 70 Jahre alt, weißes Haar, dominantes Auftreten und körperlich fit – betrat später das Treffen. Er erklärte mir, dass er das Unternehmen in seiner Garage mit seiner Frau aufgebaut hatte und Verantwortung für 450 Mitarbeiter trug. Er meinte, kein Richter würde ihn dafür bestrafen, wenn er weitermachte und wollte mich daher nicht mandatieren. Später stellte sich heraus, dass diese Verzögerung ihn teuer zu stehen kam.
Oder stellen Sie sich vor, Sie führen ein Familienunternehmen fort, das Sie als Erbe übernommen haben und nun mit ansehen müssen, wie es unter Ihrer Führung in eine existenzielle Krise gerät. Solche Situationen sind emotional sehr belastend, wobei die Vergleiche mit den erfolgreichen Vorfahren oft nicht fair sind. Der rapide Fortschritt der Globalisierung, Digitalisierung, die Beschleunigung technologischer Entwicklungen und die verstärkte Disruption in vielen Branchen führen dazu, dass Geschäftsmodelle schneller obsolet werden. In der heutigen VUCA-Welt müssen Unternehmer eine hohe Anpassungsfähigkeit und Flexibilität mitbringen. Nicht jeder kann mit diesen Herausforderungen Schritt halten und nicht jedes Geschäftsmodell behält seine Existenzberechtigung. Dennoch fühlt es sich für die Betroffenen so an, als würden sie versagen, was sicherlich eine hemmende Wirkung auslöst.
Dennis Fouladfar über pauschalisierende Urteile: “Schwarze Schafe gibt es überall!”
Business-on.de: Insolvenzberater, auch Rechtsanwälte, haben immer noch einen schlechten Ruf. Viele fühlen sich überrannt oder in Ihrer Hoffnungslosigkeit ausgenommen, ausgenutzt und betrogen. Was denken Sie über derartige Vorurteile?
Dennis Fouladfar: Ich kann verstehen, warum solche Vorurteile existieren. Zunächst einmal ist es wichtig zu beachten, dass es in jedem Beruf gute und schlechte Vertreter gibt, ob sie nun Politiker, Handwerker, Ärzte oder etwas anderes sind. Vor allem wenn man viel Vertrauen beansprucht, geht damit eine besondere Verantwortung einher, der in unterschiedlichem Maße nachgekommen wird.
Ich werde beispielsweise oft gefragt, ob ich als Anwalt nicht ein Problem damit hätte, ständig zu lügen. Dies ist ein völlig falsches Bild. Als Sanierungsanwalt bin ich kein klassischer Rechtsanwalt, der ständig Gerichtsverfahren führt. Ich sehe mich als Problemlöser, Vermittler und oft auch als psychologischer Begleiter. Ein Teil meiner Aufgabe besteht darin, Transparenz zu schaffen und das Vertrauen der Finanzierer wiederherzustellen. Oft kenne ich die beteiligten Stakeholder aus anderen Fällen. Die Sanierungsszene ist überschaubar, und das aufgebaute Vertrauen hilft, wenn wir gemeinsam schwierige Wege gehen müssen. Wenn ich Menschen täuschen oder belügen würde, könnte ich nicht mehr in diesem Bereich arbeiten. Ohne das Vertrauen der Stakeholder ist man in einer Krise verloren.
Business-on.de: Sich selbst als gutes Beispiel zu nennen, reflektiert nicht ihren Beruf…
Dennis Fouladfar: Natürlich gibt es auch Berater, die aus eigenen wirtschaftlichen Interessen und nicht immer im besten Interesse des Unternehmers handeln. Solche Fälle sind unschön. Es ist so, als würde man an einen schlechten Arzt geraten. Man bemerkt das möglicherweise nicht oder erst, wenn es zu spät ist. Als Betroffener hätte ich vermutlich auch Sorge, an den Falschen zu geraten. Ich kenne allerdings wenige Sanierungsberater, die ich in diese Kategorie einordnen würde. Aber ein paar schlechte Beispiele genügen natürlich, um den Ruf der gesamten Branche zu schädigen.
Was den Berufsstand des Rechtsanwalts betrifft: Es gibt in Deutschland über 165.000 zugelassene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Ich halte es für unfair, ein pauschales Urteil über eine solche Vielzahl von Personen zu treffen. Wie gesagt, schwarze Schafe gibt es immer.
“Man darf nicht alles persönlich nehmen!” Beratungsresistenz ist ein Persönlichkeitsbild, kein Recht der Berufsstellung
Business-on.de: Woran erkenne ich als Betroffener eine gute, sprich seriöse Beratung?
Dennis Fouladfar: Die Mehrheit der etablierten Sanierungsberatungsgesellschaften operiert seriös. Sie sollten die fachliche Ausrichtung des Beraters sorgfältig prüfen – etwa durch eine Analyse der bereitgestellten Informationen auf der Firmenhomepage – und einschätzen, ob dieser im Gespräch speziell in seinem Kerndienstleistungsbereich berät oder ein breiteres Spektrum an Handlungsoptionen bietet. Als Laie kann dies natürlich eine Herausforderung sein. Möglicherweise können Sie aus Presseveröffentlichungen weitere Erkenntnisse gewinnen, da insbesondere Insolvenzverwalter oder -begleiter häufig Pressemitteilungen herausgeben. Über uns werden Sie hingegen vermutlich weniger Informationen finden, da wir uns primär als Präventionsinstanz für Insolvenzfälle positionieren und Erfolgsgeschichten nicht öffentlich ausbreiten. Eine Anzahl unserer Mandanten erreicht uns durch persönliche Empfehlungen, basierend auf den Erfahrungen von Freunden und Bekannten. Im Zweifelsfall sollten Sie Ihrer Intuition vertrauen. Grundsätzlich lässt sich aber sagen: Gute Berater beißen sich nicht fest, sondern lösen Probleme, befähigen den Mandanten allein weiterzumachen und gehen.
Business-on.de: Nichtsdestotrotz sind Sie auch mit negativen Reaktionen konfrontiert. Wie begegnen Sie dieser und ähnlicher ablehnenden Verhaltensmuster?
Dennis Fouladfar: Ja, es kann durchaus vorkommen, dass ich mit negativen Reaktionen konfrontiert werde. In solchen Situationen habe ich festgestellt, dass es am effektivsten ist, ruhig und professionell zu bleiben. Die meisten Menschen beruhigen sich nach einer Weile. Der Patriarch, von dem ich vorhin sprach, war anfangs sehr aggressiv, aber im Laufe des Gesprächs wurde er zugänglicher und versprach sogar, sich bei mir zu melden, sollte er seine Meinung ändern. Leider ist er an einen Kollegen geraten, der… naja, vielleicht war er nicht die beste Wahl für ihn.
In seltenen Fällen muss ich jemanden zurechtweisen, aber nur, wenn die Störungen zu stark werden oder wenn ich den Eindruck habe, dass die Situation aus dem Ruder läuft. Oftmals entstehen solche Verhaltensweisen aus der Angst, die Kontrolle zu verlieren. Wenn man sich dessen bewusst ist, kann man besser damit umgehen.
Business-on.de: Ist die Form der „Beratungsresistenz“ eher bei jüngeren Firmen oder bei Traditionsunternehmen anzutreffen?
Dennis Fouladfar: Ich denke nicht, dass man das so unterscheiden kann. In meiner beruflichen Praxis berate ich häufig Unternehmen, deren Entscheidungsgremien sowohl offene als auch weniger offene Mitglieder aufweisen. Man könnte vielleicht sagen, dass Geschäftsführer, die auch Gesellschafter sind, tendenziell stärker an ihrem Unternehmen festhalten als externe Geschäftsführer. Es wäre jedoch unzutreffend, Gesellschaftern pauschal eine Tendenz zur „Beratungsresistenz“ zu unterstellen. Es handelt sich vielmehr um eine Frage der individuellen Persönlichkeitscharakteristik.
Business-on.de: Wie weit reicht generell Ihr Verständnis in derartigen Situationen, beziehungsweise für ablehnendes Verhalten der Hilfe gegenüber?
Dennis Fouladfar: Es ist auch wichtig zu bedenken, dass die Menschen, mit denen ich arbeite, oft unter großem Stress und Druck stehen. Sie stehen vor einer Insolvenz, die ihr Geschäft und möglicherweise ihr gesamtes Leben beeinflusst. In einem solchen Umfeld darf man nicht alles persönlich nehmen, was gesagt wird.
“Je früher Hilfe geholt wird, desto größer ist der Handlungsspielraum”
Business-on.de: Bedeutet Ihr Erscheinen zwangsläufig das Ende des Unternehmens? In dem Fall wären negative Emotionen ja begründet.
Dennis Fouladfar: Nein, überhaupt nicht. Je früher ich eingeschaltet werde, desto größer ist der verbleibende Handlungsspielraum. In der eingangs geschilderten, immer schneller werdenden Ereignisspirale wird die Liquidität zunehmend knapper. Je früher Sie aktiv werden und je mehr finanzielle Mittel Ihnen zur Verfügung stehen, desto mehr kann man bewegen und vielleicht eine Insolvenz vermeiden.
Und selbst wenn ein Insolvenzantrag unvermeidlich sein sollte, muss das nicht das Ende bedeuten. Das Insolvenzrecht stellt ein effizientes Instrumentarium zur Verfügung, welches die Bewältigung charakteristischer Herausforderungen in Krisensituationen von Unternehmen ermöglicht, und zwar auf eine zeit- und kosteneffiziente Weise. Beispielsweise notwendige Personalanpassungen oder die Auflösung langfristiger Vertragsbindungen. Sofern ausreichend Zeit für die Vorbereitung zur Verfügung steht und die Verfahrensbedingungen passend sind, besteht die Möglichkeit, das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchzuführen. Die gerichtliche Sanierung eröffnet daher Handlungsoptionen, die außerhalb eines solchen Verfahrens nicht verfügbar sind. Bitte verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch: Ich beziehe mich keineswegs auf missbräuchliche Praktiken. Es handelt sich vielmehr um gesetzliche Regelungen, die darauf abzielen, fortführungswürdigen Unternehmen durch insolvenzspezifische Mechanismen eine zweite Chance zu gewähren, um geschäftsfähige Modelle sowie damit verbundene Arbeitsplätze zu erhalten.
Business-on.de: Meist ist jedoch das Gegenteil der Fall – um Kosten einzusparen, werden Stellen gestrichen.
Dennis Fouladfar: Personalabbau wird oft als ausschließlich negatives Element angesehen. Wenn sich jedoch die betrieblichen Voraussetzungen aufgrund von Marktdynamiken oder anderen Ereignissen ändern, kann dieser Schritt notwendig sein, um bestehende Arbeitsplätze zu sichern. Dies wird in der öffentlichen Wahrnehmung häufig übersehen. Ich bin aber ein wenig von der Ausgangsrage abgeschweift. Was ich sagen möchte ist, dass mein Erscheinen nicht das Ende bedeutet. Es gibt häufig alternative Handlungswege. Selbst wenn letztendlich die einzige Option eine Liquidation sein sollte, ist es ratsam, den Gang zum Insolvenzgericht nicht zu verzögern.
Überleben als Stimulus? “Jede Krise lässt Kräfte frei!”
Business-on.de: Die meisten Menschen haben Angst davor, alles zu verlieren. Können Sie dahingehend beruhigen?
Dennis Fouladfar: Jein. Es ist oft der Fall, dass Unternehmer und ihr Unternehmen eng miteinander verbunden sind, beispielsweise durch persönliche Bürgschaften für Unternehmenskredite. Im Falle einer Insolvenz werden diese Bürgschaften in Anspruch genommen und können das Privatvermögen des Unternehmers bedrohen, was potenziell existenzielle Auswirkungen haben kann. Auch in diesen schwierigen Situationen konnten wir bisher immer nachhaltige Lösungen verhandeln. Dennoch lassen sich diese Probleme nicht einfach ignorieren. Es ist unproduktiv, vor solchen Herausforderungen wegzulaufen, stattdessen ist es wichtig, diesen mutig zu begegnen, auch wenn dies schmerzhaft sein mag.
Business-on.de: Die Insolvenz als Chance sehen – ist das ein lausiger Versuch, aus einem Fehler zu lernen oder gibt es tatsächlich etwas Positives der Situation abzugewinnen?
Dennis Fouladfar: Das Credo „Never let a good crisis go to waste“, welches gemeinhin Winston Churchill zugeschrieben wird, mag abgegriffen erscheinen. Doch birgt es eine fundamentale Wahrheit: Krisensituationen bieten häufig ein erhebliches Potenzial für Transformation und Wachstum. Eine Vielzahl von Unternehmen tendiert dazu, bestehende Probleme zu ignorieren oder zu tolerieren. Etablierte Prozesse erstarren und solange die Situation nicht akut kritisch ist, lassen sich stets andere Prioritäten finden oder es mangelt schlichtweg an der Bereitschaft zur Veränderung. Unternehmensstrukturen etablieren sich oftmals auf einem scheinbar komfortablen Status quo. Jedoch birgt gerade die Krise eine dynamische Kraft, die unerlässliche Entscheidungen und Veränderungen beschleunigt, die im regulären Geschäftsverlauf stagniert hätten.
Business-on.de: Auf welche Kräfte beziehen Sie sich?
Dennis Fouladfar: Motivation. Während des Insolvenzprozesses kommt eine elementare Stimulation hinzu – das „Überleben“ des Unternehmens. Wenn Sie in der Lage sind, Ihr Team zu mobilisieren und zu motivieren, kann eine erhebliche Dynamik entstehen. Zudem werden Sie von Experten im Insolvenzbereich unterstützt, sei es in der Form des Insolvenzverwalters mit seinem Team oder Berater, die die Eigenverwaltung begleiten. Dies fördert eine neue, zielorientierte Energie. Auch Ihre Geschäftspartner, Kunden und Lieferanten erkennen die Notwendigkeit von Veränderungen, um die Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten. Zusätzlich ermöglicht der Insolvenzstatus spezifische strategische Optionen, wie ich bereits erwähnt habe. Ob die letztendliche Lösung in einem Verkauf oder einer Transformation besteht – oder sogar in einer Kombination beider – Prozesse werden beschleunigt und Widerstände einfacher überwunden oder gar durchbrochen. In diesem Kontext lässt sich zweifellos von einer „Chance“ sprechen.
Befreiungsschlag – in welchen Fällen eine Insolvenz zu empfehlen ist
Business-on.de: Manche Verantwortliche leiden sehr lange im Vorfeld der Insolvenz unter der bedrückenden Situation. Eigentlich müsste Ihr Erscheinen doch so etwas wie eine Befreiung sein…
Dennis Fouladfar: Tatsächlich ruft mein Erscheinen oftmals einen Befreiungseffekt hervor. Es entlastet ungemein, wenn bisher vernachlässigte Problematiken endlich adressiert werden. Meine erste Aufgabe besteht in der Regel darin, die vorliegende Situation zu analysieren, zuzuhören und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu definieren. Auf dieser Basis entwickle ich Handlungsoptionen, die ich gemeinsam mit dem Mandanten in Bezug auf ihre möglichen Auswirkungen evaluiere. Bereits die Klärung und Erhellung der Situation, das Erlangen von Übersicht und Verständnis über die Auswirkungen der gegebenen Umstände, wird von vielen meiner Mandanten als befreiend empfunden. Es kann zu emotionalen Reaktionen kommen, was jedoch ein natürlicher Teil des Prozesses ist. Zudem liegt eine große Befreiung darin, aus einer defensiven Position herauszukommen und proaktiv zu handeln. Wir identifizieren stets einen gangbaren Pfad. Auch wenn dies manchmal schmerzlich sein mag, ist es ein notwendiger Prozess, den man durchlaufen muss.
Business-on.de: Unter welchen Voraussetzungen können Sie eine Insolvenz empfehlen?
Dennis Fouladfar: Die Empfehlung einer Insolvenz ist stets abhängig von den spezifischen Umständen und kann nicht pauschal ausgesprochen werden. Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten Ihres Unternehmens ist die Konsultation eines Fachexperten unerlässlich. Ich empfehle grundsätzlich die Einreichung eines Insolvenzantrages, sofern die Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung eingetreten und nicht zeitnah nachhaltig behebbar ist. Unter Umständen kann es sogar angebracht sein, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Zahlungsunfähigkeit lediglich droht. Eine umfassende Ausführung dieser Thematik würde jedoch den hier gegebenen Rahmen überschreiten.
Business-on.de: Welche Gründe führen Ihrer Erfahrung nach am häufigsten in die Insolvenz?
Dennis Fouladfar: Im Rahmen meiner Mandatstätigkeit werden mir immer wieder diverse Gründe für Unternehmensinsolvenzen genannt: Marktveränderungen, Wettbewerbsdruck, makroökonomische Einflüsse, regulatorische Bedingungen und unvorhersehbare Schadensfälle, um nur einige zu nennen. Tatsächlich jedoch stellen auch Managementfehler eine häufige Ursache dar. Als Unternehmer ist man gezwungen, Entscheidungen zu treffen, wobei hierbei stets eine gewisse Risikoneigung vorhanden ist. Bisweilen erweisen sich diese Entscheidungen im Nachhinein als falsch oder erfolgen zu spät. Teils schuldhaft, teils schicksalhaft – so wie es das Leben manchmal eben diktiert.
Business-on.de: Abschließende Frage: Gibt es so genannte Serientäter? Sprich, Unternehmensführer, die immer wieder in die Insolvenzfalle tappen?
Dennis Fouladfar: Es gibt Unternehmen, die mehrfach in Folge den Gang zum Insolvenzgericht antreten mussten. Grund hierfür war meines Erachtens jedoch meist nicht die Person des Geschäftsführers, der ständig die gleichen Fehler begeht.
Vielen Dank für das Interview, Herr Fouladfar!
Dennis Fouladfar ist über Linkedin.com zu erreichen.