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Interview mit Camilla Werner: “Die fetten Jahre sind vorbei!” 

Marktplatzökonomie, Marktplatzwachstum und digitale Transformation – Unternehmen stehen vor vielen Herausforderungen und müssen sich dem Wandel anpassen, um Wettbewerbsfähig zu bleiben.  E-Commerce Expertin Camilla Werner macht Unternehmen für den digitalen Wandel fit. Mit Business-on.de sprach die Unternehmerin über die Zukunft des Handels, die Großmacht Amazon und die Chancen der neuen Marktplätze…

E-Commerce Expertin Camilla Werner macht Unternehmen für den digitalen Wandel fit.
E-Commerce Expertin Camilla Werner macht Unternehmen für den digitalen Wandel fit.

Camilla Werner ist E-Commerce Expertin. Dass sie die Herausforderungen der Hersteller kennt und dazu über detailliertes Wissen über Amazon und weitere Marktplätze verfügt, macht sie als Beraterin für Unternehmen hinsichtlich ihrer strategischen und operativen Aufstellung sehr attraktiv. Seit 2009 beschäftigt sie sich intensiv mit der Ökonomie von Marktplätzen, ihrer Gewichtung und den Möglichkeiten, die Unternehmen daraus ziehen können und sollten. Seit 2016 ist sie als selbständige Beraterin tätig. Ob Interior, Arzneimittel oder Fashion, Werner fühlt sich in jeder Branche zuhause. 

Wir erreichen Camilla Werner auf ihrem Weg zurück ins Bonner Büro – während der Autofahrt lässt sie ansonsten gerne Termine Revue passieren, nimmt sich in diesem Fall aber Zeit für eine Einschätzung über digitale Chancen und ob boomende Anbieter aus Asien eine Alternative zu den Big Playern in Europa  werden können. 

 

Business-on.de: Sie sind Spezialistin für Online-Marktplätze und beraten Hersteller hinsichtlich der strategischen und operativen Ausrichtung auf Marktplätzen. Wie beurteilen Sie die Situation am Markt? 

Camilla Werner: Vor einigen Jahren war ein eher geringeres Bewusstsein der Unternehmen für Marktplätze und deren Möglichkeiten vorhanden. Da hat der Prakti nebenbei noch E-Commerce gemacht. In den letzten Jahren ist dieses aber auch bei Unternehmen angekommen. Mittlerweile gibt es nebst Amazon, auch viele weitere Marktplätze von Generalisten zu Spezialisten, viele Dienstleister für Content, Marketing, technische Infrastruktur und vieles mehr. So ist es zum einen für Unternehmen einfacher, auf mehr Marktplätzen ihr Sortiment anzubieten, zeitgleich wird die operative Vorgehensweise auch komplexer. 

Während einige Jahre eine klare Amazon First und eventuell only Strategie verfolgt wurden, so gilt es mittlerweile seine Abhängigkeiten zu reduzieren und auf weiteren passenden Marktplätzen vertreten zu sein.

Spannend ist jetzt auch die nächste Evolutionsstufe des E-Commerce Handels zu studieren: Von der Fabrik direkt zum Endkunden, ein Manufacturer-to-consumer (M2C) Ansatz. Allein Shein hat bereits 5.400 Fabriken unter Vertrag.

 

Business-on.de: Wo sehen Sie die Herausforderungen, mit denen Unternehmen zu kämpfen haben? 

Camilla Werner: Die Herausforderung besteht nach wie vor darin, zu wissen, welche Marktplätze in welchem Vertriebsmodell wann wie Sinn machen und die unternehmensinternen Prozesse mit denen eines Marktplatzes zu synchronisieren. Viele Unternehmen sind orientierungslos ob der vielen Möglichkeiten. Da braucht es eine klare Strategie auf Basis von Marktplatzevaluation und Rollenzuweisung der einzelnen digital sales channels. 

 

Business-on.de: Wie sieht so eine Rollenzuweisung aus? 

Camilla Werner: Das kommt auf die Ausrichtung des Unternehmens an. Und natürlich auf den Input, den man gewillt ist zu leisten. Am Ende muss mindestens Präsenz vorhanden sein. Unternehmen müssen aus Sicht der Endkunden raus denken und die Ware dort zur Verfügung stellen, wo sie gesehen wird und der Kunde sie auch kauft. Dazu bedarf es einer intensiven Zielgruppendefinition und strategischer Planung. 

Die fetten Jahre sind schlicht und ergreifend vorbei. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt; noch vor zwei Jahren konnte die E-Commerce Branche enorm von der Pandemie profitieren. Jetzt sind andere Sorgen dazu gekommen und die Endkunden halten ihr Geld zusammen. Der Einbruch der Konsumlaune, Kaufkraft und die hohe Inflation tun ihr Übriges. 

Die Unternehmen sind angehalten auf ihre Profitabilität zu schauen und diese zu verbessern nach Jahren des Umsatzwachstums

“Wettbewerb ist immer positiv – für Unternehmen ist es wichtig, den Überblick zu behalten und sich optimal zu positionieren!”

Business-on.de: Die Krise hat auch nicht die Großen der Branche verschont. Anfang des Jahres schockte Amazon mit der Bekanntgabe größerer Einbußungen in Milliardenhöhe: Die Aktie ist in Folge des eingebrochenen Weihnachtsgeschäftes um zehn Prozent gefallen und auch als Absatzkanal verliert der Online-Marktplatz an Bedeutung.  

Camilla Werner: Dessen Ungeachtet bleibt Amazon stark gewichtig und wird auch in Zukunft nicht an Bedeutung verlieren. Allein in Deutschland macht Amazon 55 Prozent des gesamten E-Commerce aus und auch weltweit gesehen streitet keiner die Dominanz ab. Es wäre naiv von Unternehmen, die Chancen – trotz aller Nachteile der Verkaufsmodelle –  dieses Marktplatzes nicht zu nutzen. 

Allerdings rücken viele jüngere Marktplätze nach, vor allem aus China kommt da ‘ne Menge Wettbewerb, ebenso wie Spezialisten-Marktplätze. 

 

Business-on.de: Beurteilen Sie das positiv? 

Camilla Werner: Der Zuwachs an Angeboten ist immer positiv zu bewerten. Für Hersteller gilt es sich zu überlegen, wo sie sich zusätzlich positionieren wollen, um sich breiter aufzustellen. 

Nichtsdestotrotz werden Waren aus Asien unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit keinen Blumentopf gewinnen können. Nachhaltigkeit, gute Qualität sind alles Faktoren, die für Endkunden immer wichtiger werden und somit zwangsläufig auch für Unternehmen wichtiger und umgesetzt werden müssen. Für Hersteller und Händler gilt es sich zu überlegen, wo sie sich zusätzlich positionieren wollen, um sich breiter aufzustellen.

 

Der Fokus liegt auf Amazon –  “da liegt Potenzial, das ausgeschöpft werden sollte”

Business-on.de: Welche Alternativen empfehlen Sie zu Amazon?

Camilla Werner: Auch hier kommt es auf die Kategorie an. Im Bereich Fashion sind Zalando und AboutYou klare Vorreiter, im höherpreisigen Segment Breuninger und Mytheresa (auch wenn sie sich selbst nicht als Marktplatz verstanden wissen wollen). 

Grundsätzlich ist eine enge Verzahnung mit Social Media zu empfehlen. Wer Umsatz generieren will, muss seine Reichweite erhöhen und kommt nicht an Kanälen wie TikTok und Instagram vorbei. Wer erstmal Reichweite aufgebaut hat, kann sich auch ganz anders präsentieren und neue Kooperationen eingehen. Vorerst gibt es für die meisten Produkte keine bessere Plattform als Amazon. Da ist jede Menge Potenzial, das ausgeschöpft werden muss. 

 

Business-on.de: Wie sollten sich Hersteller für die Zukunft aufstellen? 

Camilla Werner: Durch den Zuwachs an Marktplätzen ergeben sich für Hersteller super Chancen. Ich würde mir wünschen, dass das auch so gesehen wird. 

Es ist schade, dass viel zu oft eher von der Abhängigkeit von Amazon gesprochen wird. Dabei geht es auch anders. Die Seller Modelle, bei denen im Prinzip der Marktplatz lediglich als Vertriebskanal genutzt wird, bieten dabei viele Vorteile für die Seller bei kompletter Kontrolle. 

Doch auch darüber hinaus eröffnen sich für Händler und Hersteller neue Wege. So erweitern sich immer mehr Händler, indem sie einen eigenen Marktplatz gründen. Fressnapf und Douglas sind hier nur zwei Beispiele, die zusätzlich zu den eigenen Produkten ihren Store auch für Fremdanbieter öffnen. 

Auch hinsichtlich der Internationalisierung und vor allem durch KI wird sich viel tun. Ich bin gespannt, wohin die Reise noch gehen wird. Es ist mega krass, was sich dahingehend entwickelt. Das muss als Chance gesehen werden, die neuen Möglichkeiten für die eigenen Zwecke zu nutzen, nicht als Risiko! 

 

Camilla Werner: “Jede Branche bietet Unmengen an Insights – ich lerne gerne dazu!” 

 

Business-on.de: In Bezug auf den Handel werden vermehrt Netzwerke gebildet, um gemeinschaftlich den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen. Inwieweit ist das auch für Hersteller sinnvoll? 

Camilla Werner: Networking ist für jede Branche sinnvoll. Jeder Bereich hat mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen. Sich zusammenzutun, um Lösungsansätze zu diskutieren und sich weiterzubilden – egal ob auf Workshops oder Messen – bringt alle voran. Ich war erst kürzlich beim “Sellerbarcamp” in Dortmund – ein informelles, interaktives Konzept, welches sich auf den Austausch von Ideen konzentriert. 

 

Business-on.de: Was nehmen Sie selbst von Ihren Einsätzen mit? 

Camilla Werner: Ich wachse mit jedem Kunden. Unabhängig von der Branche. Jedes Unternehmen steht vor anderen Herausforderungen und will sich individuell aufstellen – daraus kann ich unzählige Insights mitnehmen. Bisher gab es noch keinen Auftrag für mich, der mich gelangweilt hat. Dann wäre ich auch die falsche für den Job. 

Ich lerne gerne dazu. Das ist es im Übrigen auch, was Kunden an mir schätzen. Es geht nicht darum, das Bisherige schlecht zu reden, sondern gemeinsam zu überlegen, wie eine Veränderung im Sinne von Optimierung umgesetzt werden kann. Das Wissen aus anderen Branchen kann helfen, Dinge zu adaptieren oder zumindest einen Impuls für Lösungen zu liefern.

Camilla Werner ist Expertin für alle Fragen des E-Commerce. Sie berät Unternehmen seit 2016 hinsichtlich ihrer strategischen und operativen Aufstellung.

Camilla Werner ist Expertin für alle Fragen des E-Commerce. Sie berät Unternehmen seit 2016 hinsichtlich ihrer strategischen und operativen Aufstellung.

Business-on.de: Frau Werner, vielen Dank für das Gespräch! 

Camilla Werner ist über Linkedin sowie über camillawerner.de zu erreichen.  

 

 

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