Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie hat die hohe Nachfrage nach Häusern und Wohnungen die Kosten für den Immobilienerwerb wie bereits 2020 erneut um mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr ansteigen lassen. Das belegt eine Auswertung von rund 800.000 Finanzierungen aus den Jahren 2011 bis 2021 von Interhyp. Das Unternehmen ist mit einem Finanzierungsvolumen von insgesamt 34,2 Milliarden in 2021 Deutschlands größter Vermittler für private Baufinanzierungen. „Die Immobilienpreise sind in den beiden Corona-Jahren so stark gestiegen wie in keinem anderen Jahr der vergangenen Dekade“, sagt Jörg Utecht, Vorstandsvorsitzender der Interhyp Gruppe. Zum einen habe der Wunsch nach Sicherheit und das Home-Office bei anhaltend niedrigen Bauzinsen die Immobilie für Eigennutzer stärker in den Fokus gerückt. Zum anderen seien Kapitalanleger ein zusätzlicher Treiber von Nachfrage und Preisen, vor allem in den Metropolen. Mangelnde Anlagealternativen, niedrige Bauzinsen und die Angst vor Inflation sprechen für die Immobilie als Kapitalanlage“, so Utecht. Die Preisentwicklung habe bisher nicht zu riskanteren Finanzierungen geführt. Die gestiegenen Preise und die damit verbundenen hohen Eigenkapitalanforderungen seien aber zunehmend ein Problem für die Leistbarkeit. Ohne Hilfe der Familie oder hohe Ersparnisse ist ein Immobilienkauf heute kaum noch möglich“, sagt Utecht. Interhyp erwartet im laufenden Jahr zwar weiter steigende Preise, aber mit abnehmender Dynamik. Momentan bewirke der Anstieg bei den Bauzinsen einen gewissen Druck im Markt. Das Preisniveau und weiter steigende Bauzinsen könnten den Nachfrageboom in 2022 leicht abbremsen. „Wir erwarten für 2022 im Vergleich zu 2021 einen leicht abgebremsten Anstieg der Kosten für den Immobilienerwerb, in etwa im Bereich von rund sechs bis sieben Prozent. Wie hoch der Preisanstieg genau ausfällt, hängt auch vom Angebot und den politischen Weichenstellungen für mehr Wohnungsbau ab. Ein Ersatz für die gestoppten KfW-Programme für den Neubau sollte baldmöglich geschaffen werden.“
Der durchschnittliche Preis für eine finanzierte Immobilie inklusive Nebenkosten liegt laut Interhyp 2021 bei 494.000 Euro und damit 10,5 Prozent über den Vorjahreskosten. Bereits 2020 waren die Preise gegenüber 2019 um etwas mehr als zehn Prozent gestiegen. In den Vorjahren waren die Steigerungen jeweils einstellig. Insgesamt sind die Kosten für den Bau oder Kauf von 2011 bis 2021 um 70 Prozent gestiegen. Die Preisentwicklungen auf dem Immobilienmarkt führen zu Diskussionen um mögliche Risiken. Die Finanzaufsicht BaFin will Banken ab Februar 2023 wegen der stark gestiegenen Immobilienpreise anhalten, Immobiliendarlehen durch Kapitalpuffer besser abzusichern.
Finanzierungen nicht riskanter
Die Auswertung der Interhyp-Daten zeigt, dass die Preise zwar gestiegen sind, das genutzte Eigenkapital aber ebenfalls. 2021 brachten Bauleute sowie Käuferinnen und Käufer im Durchschnitt 132.000 Euro Eigenkapital ein, 13,8 Prozent mehr als 2020. Die Beleihung, also der Anteil der Finanzierung am Kaufpreis, ist leicht gesunken: von 82 Prozent in 2020 auf 81 Prozent in 2021. Jörg Utecht: „Banken und Immobilienkäuferinnen und -käufer achten weiterhin auf solide Finanzierungen, mit viel Eigenkapital, langen Zinsbindungen und hoher Tilgung. Die Banken verlangen häufig eine Mindesttilgung von zwei Prozent und achten zunehmend genauer auf die Höhe der Beleihung.“ Die durchschnittliche Zinsbindung liegt mit 13,3 Jahren leicht unter dem Vorjahr (13,6 Jahre), ebenso die durchschnittliche Tilgung mit drei Prozent gegenüber 3,3 Prozent in 2020.
Steigender Zins führt zu höheren Raten – und macht sicherheitsbewusst
„In den letzten Monaten des vergangenen Jahres haben Immobilienkäufer und Bauleute, auch bedingt durch den Zinsanstieg, die Angst vor Inflation und den auch für die Zukunft erwarteten steigenden Zinstrend wieder vermehrt längere Zinsbindungen gewählt. Die durchschnittliche Zinsbindung lag in den letzten drei Monaten im Jahr 2021 wieder bei 13,5 Jahren“, so Utecht. Die Zinsen haben im Vergleich zu 2020 in 2021 schon leicht angezogen, vor allem in den letzten Monaten des Jahres 2021. Die durchschnittliche monatliche Rate ist von 1.070 in 2020 auf 1.150 Euro in 2021 gestiegen. Der Trend zu mehr Sicherheit gegen Jahresende zeige sich auch bei den Anschlussfinanzierungen, die Interhyp ebenfalls betrachtet hat. Die Zahl der Forward-Darlehen, über die sich Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer schon Jahre im Voraus günstige Zinsen sichern, steigt. Im Jahr 2020 haben 40 Prozent der Anschlussfinanzierenden ein Forward-Darlehen abgeschlossen, in 2021 45 Prozent. Besonders im zweiten Halbjahr 2021 hat Interhyp eine starke Nachfrage nach Forward-Darlehen verzeichnet. Die durchschnittliche monatliche Rate bei Anschlussfinanzierungen 2021 beträgt 840 Euro, bei einer anfänglichen Tilgung von durchschnittlich 5,8 Prozent.
Zinsanstieg zum Jahresstart: Viele wollen handeln
Der Zinsanstieg zum Jahresstart 2022 hat die Nachfrage nach Anschlussfinanzierungen und Forward-Darlehen noch befeuert, berichtet Interhyp. Der Anteil der Forward-Darlehen unter den Anschlussfinanzierungen stieg in den ersten Wochen des Jahres auf 46 Prozent. „Wir raten allen, die vor sieben Jahren oder früher einen Kredit abgeschlossen haben, die Zinsoptionen für den Anschlusskredit jetzt zu prüfen“, sagt Jörg Utecht. Auch bei den Bauleuten sowie Käuferinnen und Käufern wirke sich der aktuelle Zinsanstieg aus. „Wir sehen einen gewissen Druck durch den Zinsanstieg: Viele Kundinnen und Kunden möchten jetzt schnell handeln, um sich günstige Zinsen zu sichern“, sagt Jörg Utecht. „Wir raten dennoch dazu, die Finanzierung nicht zu überstürzen und wohlüberlegt anzugehen. Wichtiger als der Zinsunterschied, ist, dass die Immobilie und die Finanzierung jetzt und in Zukunft zum Leben passen.“ Wichtig sei zum Beispiel eine lange Zinssicherung, was viele beherzigen. In den ersten Jahreswochen sei die Zinsbindung wieder auf durchschnittlich 13,8 Jahre gestiegen.
Blick auf sieben Städte: Münchens Immobilienpreise seit 2011 mehr als verdoppelt
Besonders hohe Preissteigerungen seit 2011 beobachtet Interhyp in den Metropolen. Das Unternehmen hat sieben Städte genauer betrachtet. Die größte Steigerung seit 2011 registriert Interhyp in München: Dort hat sich der Durchschnittspreis für eine Immobilie inklusive Nebenkosten auf 878.000 Euro in 2021 mehr als verdoppelt (plus 108 Prozent). In Köln sind die Kosten um 90 Prozent auf 577.000 Euro gestiegen, in Stuttgart um 88 Prozent auf 605.000 Euro, in Frankfurt am Main um 89 Prozent auf 702.000 Euro und in Berlin um 81 Prozent auf 551.000 Euro. In Hamburg beträgt die Preissteigerung 72 Prozent auf 683.000 Euro. In Leipzig machte die Preissteigerung immerhin noch 46 Prozent aus (2021: 341.000 Euro). Damit liegen die Preise in den Metropolen in der Regel über der Steigerung im Bundesdurchschnitt von rund 70 Prozent, außer in Leipzig. Dort sind die Preise in 2021 gegenüber dem Vorjahr aber mit plus 12 Prozent auch stärker gestiegen als im gesamtdeutschen Durchschnitt von 10,5 Prozent.
Kapitalanleger: 43 Prozent in München, 70 Prozent in Leipzig
Interhyp führt die gestiegenen Preise in den Metropolen auch auf eine gestiegene Nachfrage durch Kapitalanleger zurück. Der Anteil der Kapitalanlegerinnen und Kapitalanleger an allen Finanzierungen für einen Bau oder Kauf hat sich seit 2011 mehr als verdoppelt, von 13 Prozent auf 27 Prozent in 2021. In den sieben großen Metropolen liegt der Anteil von Kapitalanlegern jeweils höher als im Bundesdurchschnitt: In Hamburg sind es 29 Prozent Kapitalanleger, in Berlin 33 Prozent, in Stuttgart 35 Prozent, in Frankfurt am Main 37 Prozent, in Köln 38 Prozent, in München 43 und in Leipzig sogar 70 Prozent. Der genaue Blick auf die Kapitalanleger in Leipzig zeigt, dass private Anleger aus vielen Teilen Deutschlands, häufig aus Berlin, Hamburg und München, in Leipziger Wohnungen investieren, nur ein Fünftel der Kapitalanleger in Leipzig wohnen in Leipzig.
Eigennutzer bringen im Schnitt 144.000 Euro Eigenkapital ein
Interhyp hat Eigennutzer und Kapitalanleger getrennt voneinander noch einmal genauer betrachtet. Eigennutzer machen bezogen auf Gesamtdeutschland rund 68 Prozent aller Finanzierungen eines Baus oder Kaufs aus, fünf Prozent vermieten teilweise. Die Eigennutzer achten der Auswertung zufolge besonders auf hohe Eigenkapitalanteile: Sie bringen im Schnitt 144.000 Euro Eigenkapital ein. Im Durchschnitt liegt die Beleihung bei Eigennutzern bei 80 Prozent, also noch einen Prozentpunkt niedriger als im Durchschnitt aller Erstfinanzierungen. Die Tilgung beträgt drei Prozent und die Zinsbindung 13,9 Jahre – also länger als im Durchschnitt über alle Erstfinanzierungen. „Unsere Zahlen zeigen: Wer eine Immobilie selbst bewohnt, achtet besonders auf eine zukunftssichere Finanzierung, damit nach Ablauf der Zinsbindung schon ein sehr großer Teil des Kaufpreises abbezahlt ist“, sagt Jörg Utecht. Im Durchschnitt sind Eigennutzer 38 Jahre alt und haben im Schnitt ein Haushaltsnettoeinkommen von 4.900 Euro (Median). Kapitalanleger bringen in der Regel weniger Eigenkapital ein (94.000 Euro) und weisen im Durchschnitt eine höhere Beleihung als Eigennutzer auf (83 Prozent). Kapitalanleger haben aufgrund einer anderen steuerlichen Betrachtung ein anderes Interesse als Eigennutzer. Sie können die Mieten, auf der einen Seite und Belastungen aus der Finanzierung auf der anderen Seite miteinander verrechnen. Häufig orientieren Kapitalanleger ihre Rate auf Basis der Mieten. Zusätzlich sollte ein Sicherheitspuffer eingeplant werden, damit auch Mietausfälle aufgefangen werden können. Die Kaufpreise und Darlehenssummen bei Kapitalanlegern sind im Durchschnitt geringer als bei Eigennutzern, vermietete Eigentumswohnungen haben im Durchschnitt weniger Quadratmeter als die zur Eigennutzung gekauften Objekte. Kapitalanlegerinnen und Kapitalanleger sind im Durchschnitt 43 Jahre alt und verfügen über ein hohes Haushaltsnettoeinkommen, im Schnitt von 6.000 Euro (Median).
Finanzierung für Normalverdiener ohne Ersparnisse zunehmend schwieriger
Problematisch an den gestiegenen Immobilienpreisen sind laut Interhyp nicht die Finanzierungsstrukturen, sondern vielmehr die hohen Summen an Eigenkapital, die erforderlich sind, um Wohneigentum zu bilden. „Rund 100.000 bis 150.000 Euro Eigenkapital für die eigene Wohnimmobilie aufzubringen, schaffen Menschen zwischen Mitte Zwanzig und Ende Dreißig meist nur, wenn die Familie hilft oder beide Partner schon lange Zeit ein hohes Gehalt bezogen haben“, sagt Jörg Utecht. „Für Normalverdiener ist das eigene Haus zunehmend schwieriger zu finanzieren.“ Ein Stopp von Fördermitteln sei da kontraproduktiv. Die eingestellten BEG-Fördermittel der KfW müssten schnell geeignet ersetzt werden. Sinnvoll seien die laut Koalitionsvertrag geplanten eigenkapitalersetzenden Darlehen ebenso wie Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer. Die geteilten Maklergebühren, die seit Ende 2020 gelten, haben laut Interhyp einen kleinen Effekt gezeigt: Die Kaufpreise ohne Nebenkosten sind um elf Prozent gestiegen, also um 0,5 Prozentpunkte stärker als die Kaufpreise mit Nebenkosten. Utecht: „Die eigene Immobilie ist wertvoll für die Altersvorsorge und die Absicherung der Angehörigen. Breite Bevölkerungskreise sollten die Möglichkeit haben, Wohneigentum zu bilden. Hier muss die Politik handeln und die Erwerbsnebenkosten reduzieren und mit Fördermitteln Normalverdiener beim Immobilienkauf unterstützen.“
Interhyp hat die Ergebnisse der Auswertung zur Baufinanzierung in Deutschland von 2011 bis 2021 in einer großen Infografik unter https://baufinanzierung-in-deutschland.interhyp.de/#/ aufbereitet.
(ots)
Bildquellen:
- Kapitalanleger heizen Nachfrage in den Metropolen an: Interhyp AG