Kommt es zu einer Kündigung gegenüber einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter, hat sich das Unternehmen diese Entscheidung in der Regel nicht leicht gemacht. Doch ganz unabhängig vom Grad des Fehlverhaltens – etwa im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung – treffen sich die Parteien in der Regel vor dem Arbeitsgericht. Beschäftigte hoffen mit anwaltlicher Unterstützung auf die Weiterbeschäftigung, zumeist aber auf eine Abfindung. Sogar im Arbeitsverhältnis begangene Unterschlagungen oder Diebstähle halten den einen oder anderen nicht davon ab, die Kündigung auf einen möglichen Formfehler hin untersuchen und gerichtlich überprüfen zu lassen.
Dabei kommen der Arbeitnehmerseite die stetig anwachsenden Dokumentations- und Hinweispflichten, etwa nach der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) oder den neuen EU-Regeln zu den Hinweis- und Nachweispflichten, „gerade recht“. So enthalten viele Standardklagen gekündigter Mitarbeiter mittlerweile mehrere Seiten angehängter Musterschreiben, in denen der Arbeitgeber auf eine Vielzahl möglicher Verstöße hingewiesen wird.
Ein Klassiker ist sicherlich die Aufforderung, Einsicht in die Personalakte zu gewähren oder eine Fotokopie der Personalakte anzufertigen und diese an den Anwalt zu versenden. Gefolgt von dem Hinweis, dass das Recht auf Einsichtnahme in die Personalakten jederzeit bestünde, insbesondere auch soweit der Arbeitgeber die Kündigung ausgesprochen hat. Das Recht, in die Personalakten Einsicht zu nehmen, bezieht sich auf alle Unterlagen, die über die Person des Arbeitnehmers im Betrieb vorhanden sind. Dazu gehören neben den eigentlichen Personalakten auch eingeholte Auskünfte, Vornotizen über Beurteilungen, Werkschutzberichte und ähnliches.
In der einen oder anderen Personalabteilung geht der Puls schon jetzt hoch. Es geht aber munter weiter: Es folgt die dringende Bitte des gegnerischen Prozessbevollmächtigten, nach der Datenschutz-Grundverordnung Auskunft zu erteilen über sämtliche gespeicherte Daten des gekündigten Mitarbeitenden, über den Empfänger, an den Daten weitergegeben worden sind oder werden, und über den Zweck der Speicherung. Dieser Bitte folgt wiederum der Hinweis, dass man zur vollständigen Auskunft verpflichtet sei und bei Weigerung erheblicher Schadensersatz drohe.
Ferner könne bei einem Verstoß auch der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt sein, der wiederum nach der DS-GVO mit einer Geldbuße in Höhe bis zu 20 Millionen Euro oder von bis zu 4 Prozent des gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres geahndet werden könne.
Es folgen dann noch weitere Bußgeldhinweise zum Nachweisgesetz – der Arbeitgeber ist hier zwingend verpflichtet, bestimmte Regelungen des Arbeitsverhältnisses schriftlich fixiert zu haben.
Schließlich folgt die Frage an größere Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden, ob denn bereits ein Meldesystem nach dem Hinweisgeberschutzgesetz eingeführt worden sei. Auch hier könne die Nichtbeachtung oder ein Verstoß bei der Einführung bis zu 20.000 Euro Bußgeld oder mehr zur Folge haben.
Fazit: All diese Pflichten und die drohenden Bußgelder, auf die die gegnerischen Anwälte hier hinwiesen, bestehen – zumindest auf dem Papier – (leider) tatsächlich. In der Praxis zeigt sich, wozu all dies führt. Die ausufernden Pflichten für den Arbeitgeber werden ein immer beliebteres anwaltliches Mittel, sich schnell und gütlich zu einigen und die Schmerzgrenze eines jeden Arbeitgebers in Bezug auf die Abfindungshöhe nach oben zu treiben. Zwar ist dies sicherlich nicht die eigentliche Intention des Gesetzgebers, es ist aber eine ganz faktische Konsequenz immer höherer bürokratischer Hürden.
— Philipp Neddermeyer —
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ZUM AUTOR
Rechtsanwalt Philipp Neddermeyer,
Geschäftsführer Landesgruppen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt
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