„Wie können wir für hochqualifizierte Frauen als Arbeitgeber attraktiver werden?“ „Wie können wir dafür sorgen, dass sie auch eine emotionale Bindung zu unserer Organisation entwickeln?“ Solche Fragen beschäftigen zurzeit viele Unternehmen. Denn im Betriebsalltag und beim Sichten ihrer Personaldaten stellen sie oft fest: „Irgendwie kommen wir bei unserem Ziel, den Frauenanteil bei unseren Führungskräften und Spezialisten zu erhöhen, nicht so recht voran.“
Zwar ist dies vielen Unternehmen im Personal-, Marketing- und Controlling-Bereich schon recht gut gelungen, doch in allen Bereichen, in denen
- die Technik eine große Rolle spielt und/oder
- in denen der Männeranteil traditionell sehr hoch ist, kommen sie diesbezüglich oft kaum voran.
Problem: Frauen bevorzugen oft andere Arbeitgeber
Speziell in den produzierenden und produktionsnahen Bereichen ihrer Organisation kämpfen viele Unternehmen aktuell noch mit folgenden Problemen:
- Hochqualifizierte Frauen, die sie gerne als Mitarbeiterinnen gewinnen würden, geben ihnen nicht selten einen Korb und entscheiden sich stattdessen zum Beispiel für eine Forschungseinrichtung, ein Planungsbüro oder den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber.
- Frauen, die sich für ihr Unternehmen als Arbeitgeber entscheiden, verweilen im Schnitt deutlich kürzer als Männer in ihm. Sie wechseln also schneller den Arbeitgeber.
Problem: geringe emotionale Bindung ans Unternehmen
Das heißt aus Sicht der Personalverantwortlichen unter anderem: Frauen kommen seltener als Männer auch emotional in dem Unternehmen, für das sie gerade arbeiten, an und sie entwickeln oft eine geringere Bindung zu ihm – zum Beispiel, weil
- die Kultur des Unternehmens noch sehr männerdominiert ist und
- sie im Arbeitsalltag in dieser „Männerwelt“ noch mit zahlreichen verdeckten Widerständen kämpfen.
Dies wollen aktuell viele Unternehmen ändern. Deshalb seien nachfolgend einige Handlungsfelder genannt, in denen sie aktiv werden sollten, damit nicht nur mehr Frauen den Weg zu ihnen finden, sondern diese sich in ihrer Organisation auch wohl fühlen, weil sie in ihr akzeptiert und respektiert werden und wirklich wirksam werden können.
„Empowerment von Frauen“ – eine vielschichtige Aufgabe
Handlungsfeld 1: Umfassende Chancengleichheit. Unternehmen sollten, nein müssen sicherstellen, dass Frauen in ihrer Organisation dieselben Chancen wie Männer haben, Führungs- und Schlüsselpositionen nicht nur zu erlangen, sondern diese auch effektiv und befriedigend wahrzunehmen. Das erfordert mehr als
- ihnen dieselbe Bezahlung und dieselben Aufstiegschancen zu bieten und
- dass in den Unternehmenspublikationen häufig solche Vokabeln wie „Diversität“, „Chancengleichheit“, „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ sowie „Work-life-balance“ stehen.
Handlungsfeld 2: Neuer Mindset. Stereotype und Vorurteile prägen oft noch das Alltagshandeln in den Unternehmen. So zum Beispiel die Vorstellung, Frauen seien weniger durchsetzungsfähig und stressresistent als Männer oder sie hätten eine geringere Affinität zur Technik (selbst wenn sie einen Abschluss an einer technischen Uni haben).
Solche Stereotype werden heute zwar seltener als früher laut artikuliert, sie prägen aber in den Unternehmen noch vielfach den alltäglichen Umgang der Geschlechter miteinander. Entsprechend wichtig ist es, sie regelmäßig zu thematisieren und durch Schulungen und Coachings zu überwinden.
Handlungsfeld 3: Systematische Kulturveränderung. Durch das Erfassen und geschlechterspezifische Analysieren personen-, funktions- sowie laufbahnbezogener Daten können Problemfelder erkannt werden, so dass Gegenmaßnahmen ergriffen werden können – und zwar nicht nur mit dem Ziel statistisch den Frauenanteil, sondern auch die Akzeptanz und Wertschätzung der Frauen zu erhöhen; außerdem deren emotionale Bindung an das Unternehmen, wodurch auch ihre Verweildauer in ihm steigt.
Handlungsfeld 4: Noch flexiblere Arbeitsmodelle. In diesem Bereich hat sich aus Frauensicht in den zurückliegenden Jahren in den meisten Unternehmen viel zum Positiven verändert. Als Beispiel seien hier nur die Stichworte Homeoffice, 4-Tage-Woche, Auszeiten für Pflege und Shared Leadership genannt. Trotzdem dürfen die Unternehmen nicht nachlassen, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Frauen trotz ihrer häufigen Doppelbelastung in gewissen Lebensphasen Top-Positionen in ihnen nicht nur übernehmen, sondern auch befriedigend wahrnehmen können – und zwar im Dialog mit den betroffenen Frauen, damit deren individuelle Lebenssituation berücksichtigt werden kann.
Handlungsfeld 5: Unterstützung bei der Netzwerk-Bildung. Unternehmen sollten firmeninterne Netzwerke für Frauen fördern, in denen diese sich austauschen und wechselseitig unterstützen können – und zwar nicht nur bereichs-, sondern auch standortübergreifend. Die moderne Informations- und Kommunikationstechnik bietet hierfür zahlreichen Möglichkeiten.
Handlungsfeld 6: Mentoring und Coaching. Die Unternehmen sollten zudem Mentoring- und Coaching-Programme fördern, in denen erfahrene (bzw. etablierte) weibliche Führungskräfte ihre Kenntnisse und Erfahrungen an jüngere (bzw. neue) Kolleginnen weitergeben. Denn noch immer gilt: Frauen sind in Führungs- und Schlüsselpositionen zum Beispiel auf der Projektleiterebene mit teils anderen Herausforderungen als Männer konfrontiert – insbesondere, wenn das Gros der Mitarbeitenden sowie Führungskräfte in der jeweiligen Organisation bzw. in dem Bereich, in dem sie arbeiten, noch Männer sind.
Handlungsfeld 7: Sichtbarkeit und Wirksamkeit. Damit Frauen bereichsübergreifend eine hohe Akzeptanz und Wertschätzung erfahren, müssen auch die Früchte ihres Tuns und Wirkens sichtbar gemacht werden. Hierbei sollten ihre Arbeitgeber sie gezielt unterstützen zum Beispiel durch entsprechende Veröffentlichungen im Intranet oder in den Firmenpublikationen. Die Frauen sollten aber auch selbst stärker aktiv werden, im Bereich sich selbst und die eigenen Leistungen aktiv zu vermarkten. Unter anderem die Social Media bieten ihnen hierzu viele Möglichkeiten.
Handlungsfeld 8: Vorbildfunktion der Geschäftsleitung. Noch immer gilt, die oberen Führungskräfte prägen maßgeblich die Kultur einer Organisation. Entsprechend wichtig ist es, dass sich zum Beispiel die Geschäftsführung aktiv für (mehr) Frauen in Führungs-/Schlüsselpositionen engagiert; des Weiteren, dass sie den Mitgliedern der Organisation als Vorbild für eine hohe Wertschätzung der Frauen und ihrer Leistung dient – unter anderem, indem sie weiblichen Talente in der Organisation aktiv unterstützt und den Dialog mit ihnen sucht.
Die Unternehmens- und Führungskultur muss inklusiver werden
In der von einer hohen Dynamik geprägten modernen Arbeitswelt spielt die Zusammenarbeit der beiden Geschlechter – nicht nur aufgrund des Fach- und Führungskräftemangels – eine Schlüsselrolle für den Erfolg von Unternehmen. Hierbei lautet das Ziel nicht, Männer zu verdrängen, sondern das Zusammenleben und die Führung in den Unternehmen vielfältiger und inklusiver zu gestalten.
Die nachhaltige Stärkung der Position von Frauen in Führungs-/Schlüsselpositionen erfordert eine umfassende und langfristige Strategie, die von einer Veränderung der Unternehmenskultur bis hin zu konkreten Förder- und Unterstützungsmaßnahmen reicht. Diesen Entwicklungsprozess gilt es auch zu evaluieren, unter anderem damit die erreichten Veränderungen nachhaltig sind.
(Barbara Liebermeister)
Zur Autorin: Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Wiesbaden (www.ifidz.de). Die Managementberaterin und Vortragsrednerin betreibt unter anderem den Podcast „Business Secrets: Warum Frauen ‚gelikt‘ werden und Männern gefolgt wird“. Sie ist Autorin des Buchs „Die Führungskraft als Influencer“.
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