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Wirtschaft

Die Zukunft der Apotheken

Die Zahl der Apotheken in Deutschland befindet sich weiter im Sinkflug. Aktuell gibt es 18.461 stationäre Apotheken, bis Ende 2023 sollen es nur noch 17.870 sein. Dabei liegt Deutschland mit 22 Apotheken je 100.000 Einwohner schon jetzt unter dem EU-Durchschnitt von 32. Susan Tuchel traf Nadine Freialdenhoven in Kerpen. Die Apothekerin ist Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Nordrhein und führt vier Apotheken im Rhein-Erft-Kreis.

Nadine Freialdenhoven

business-on.de: Der Apothekenwirtschaftsbericht für 2021 wies ein sattes Umsatzplus von 2,5 Milliarden Euro aus, das durch pandemiebedingte Sonderausgaben erzielt wurde. Was spielte sich in den Apotheken in dem zweiten Pandemiejahr ab?

Nadine Freialdenhoven: Viele Bürger haben sich mit Arzneimitteln eingedeckt. Das führte zu Lieferengpässen, z. B. bei dem Schmerzmittel Paracetamol, das als Saft oder Zäpfchen Kindern gegen Fieber gegeben wird. Viele Apotheken hatten plötzlich Schwierigkeiten, Kinder zu versorgen. Parallel mussten wir alle Kräfte bündeln, um dem Ansturm auf Hilfsmittel wie Masken und Handschuhe Herr zu werden. Wir haben innerhalb kürzester Zeit Tonnen an Desinfektionsmitteln hergestellt, weil alle Hersteller nicht mehr lieferbar waren. Wir befinden uns immer noch ein einem Ausnahmezustand, weil viele Arzneimittel, z. B. gegen hohen Blutdruck, noch immer nicht lieferbar sind. Wir betreiben einen hohen Aufwand, suchen nach Alternativen, Rezepte müssen in den Praxen umgeändert werden.

business-on.de: Leistungen, die die Apotheken für die Allgemeinheit erbracht haben, wurden mit dem Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) abgerechnet. Was waren das für Leistungen?

Nadine Freialdenhoven: Die Apotheken haben im Zeitraum von Dezember 2020 bis April 2021 etwa 440 Millionen Schutzmasken abgegeben. Ab April 2021 kamen etwa 100 Millionen COVID-19-Impfdosen hinzu, die wir an Arztpraxen, Impfteams und an den öffentlichen Gesundheitsdienst geliefert haben. Ab Juni 2021 haben die Apotheken etwa 97 Millionen Impf- und Genesenenzertifikate ausgestellt. Seit Februar 2022 haben Apotheken auch mit den COVID-19-Impfungen begonnen. Auch ich habe in allen meinen Apotheken geimpft und werde in diesem Herbst meinen Kunden auch Grippeschutzimpfungen anbieten.

business-on.de: Der stationäre Handel musste den Lieferdienst in der Pandemie erst noch erfinden, die Apotheken nicht …

Nadine Freialdenhoven: Botendienste waren schon immer unser Dienst am Kunden. In 2021 haben 42,5 Prozent der Apotheken sogar mehrmals täglich Medikamente frei Haus geliefert. Insgesamt werden täglich 300.000 Botendienste in unserer Branche ausgeführt.

business-on.de: Kann man in 2022 mit einem weiteren Aufschwung für das Apothekenwesen rechnen?

Nadine Freialdenhoven: Kurzum: ja. Der Umsatz wird steigen, weil auch die Preise der Arzneimittelhersteller steigen. Verschreibungspflichtige Arzneimittel unterliegen einer Preisbindung. Allerdings spiegelt ein sattes Umsatzplus nicht den Aufwand wider, den wir in der Apotheke betreiben müssen.
Für das Jahr 2023 wird es schwieriger, weil Gesundheitsminister Karl Lauterbach den Kassenabschlag, also den Rabatt, den wir den Krankenkassen pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel geben müssen, von 1,77 Euro auf sehr wahrscheinlich 2,00 Euro angehoben wird. Ein Aufschwung? Eher nicht – Stromkosten erhöhen sich, Benzinpreise auch. Das hat zur Folge, dass die Großhändler uns weitere Kosten in Rechnung stellen. Gleichzeitig unterhalten wir einen Botendienst, sodass die Kosten auch höher im Vergleich zu 2021 sind.

business-on.de: Sie haben vier Apotheken im Rhein-Erft-Kreis und gehören damit zu den 43,9 Prozent der Apotheken in Filialstrukturen. Ist das die Zukunft?

Nadine Freialdenhoven: Natürlich ergeben sich ganz andere Synergieeffekte, wenn ich für vier Apotheken Waren einkaufe oder die Digitalisierung weiter vorantreibe. Ich habe in allen vier Apotheken einen Arzneimittelautomaten, einen Rezeptscanner und ein Warenwirtschaftssystem, das es mir ermöglicht, die Medikamente vorrätig zu haben, die meine Kunden immer wieder verschrieben bekommen.

business-on.de: Laut einer Bitkom-Umfrage liegt der Anteil der Bevölkerung in Deutschland, der regelmäßig Medikamente online kauft, bei 62 Prozent. Bereitet Ihnen das Kopfzerbrechen?

Nadine Freialdenhoven: Meiner Meinung nach werden die Zukunftsperspektiven für Berufe in meiner Branche schwarzgemalt. Dabei sind es die Online-Apotheken, die rote Zahlen schreiben. Eine stationäre Apotheke bietet ihren Kunden einen nicht zu unterschätzenden Mehrwert, nämlich menschliche Zuwendung und fachliche Beratung. Wir raten nicht nur zu, sondern auch bei bestimmten Medikamentencocktails eindringlich ab.

business-on.de: Suchen Sie Fachkräfte? Auch in Ihrer Branche soll Personalnot herrschen …

Nadine Freialdenhoven: Aktuell ist es so, dass nur noch ein Viertel der zukünftigen Apothekerinnen und Apotheker in einer öffentlichen Apotheke arbeiten möchte. Über ein Drittel des Apothekennachwuchses plant in die Pharmaindustrie abzuwandern. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Berufe Pharmazeutisch-Technische-Assistentinnen (PTA) und Pharmazeutisch-Kaufmännische-Angestellte (PKA).

business-on.de: Wie gehen Sie beim Mitarbeiterrecruiting vor?

Nadine Freialdenhoven: Wir verteilen an PTA-Schulen und in unseren Apotheken Zettel, auf denen wir ermuntern, sich per WhatsApp bei uns zu bewerben. Ganz formlos mit: „Hallo, ich bin PTA, heiße … und würde euch gerne kennenlernen!“ Wir werben viel über Social Media. Außerdem leisten wir uns eine HR-Managerin in den Apotheken, die analog und digital sucht. Die Bewerbungsphase ist also ganz einfach. Dennoch nehmen wir nicht jeden Bewerber bzw. Bewerberin. Wir haben einen mehrstufigen Bewerbungsprozess. Denn die zukünftige Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter müssen zu uns passen. Kundenorientierung und Teamfähigkeit sind für uns mit die wichtigsten Kriterien.

Bildquellen:

  • Nadine Freialdenhoven: Freialdenhoven-Apotheken

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