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„Digitale Transformation unserer Wirtschaftsstruktur ist unausweichlich“

Prof. Dr. Klemens Skibicki ist Mitinhaber einer Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt digitale Transformation und Professor für Marketing, Marktforschung und Volkswirtschaftslehre an der Cologne Business School in Köln. Er schrieb 6 Bücher rund um die digitale Revolution und reiste Ende Mai als Mitglied der Wirtschaftsdelegation mit Bundesminister Philipp Rösler für 4 Tage ins Silicon Valley und Washington D.C.

A.T. Kearney / A.T. Kearney

Prof. Dr. Klemens Skibicki ist Mitinhaber einer Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt digitale Transformation und Professor für Marketing, Marktforschung und Volkswirtschaftslehre an der Cologne Business School in Köln. Er schrieb 6 Bücher rund um die digitale Revolution und reiste Ende Mai als Mitglied der Wirtschaftsdelegation mit Bundesminister Philipp Rösler für 4 Tage ins Silicon Valley und Washington D.C.

business-on.de: Herr Skibicki, welche Ziele hatte die Reise?

Klemens Skibicki : Die Reise ist Teil der Anstrengungen, der deutschen digitalen Start-up Szene bessere Bedingungen zu erarbeiten. Die junge digitale Wirtschaft ist essentiell für die Zukunft Deutschlands im digitalen Zeitalter. Wir stützen uns hierzulande im Wesentlichen auf Branchen des Industriezeitalters, bewegen uns aber gleichzeitig zunehmend im digitalen Ozean, der von Facebook, Google, Apple, Twitter & Co. abgesteckt wird. Diese und viele andere haben vom Silicon Valley aus in wenigen Jahren die Welt erobert. Was läge da näher als von den besten zu lernen und sich in dieses Mekka zu begeben. Nur vor Ort von Angesicht zu Angesicht kann man Beziehungen anbahnen und nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern begreifen, was die Rahmenbedingungen dieses unvorstellbaren Erfolges ausmacht. Es ging also um lernen, Schlüsselpersonen der Szene dort kennenzulernen und bestenfalls Türen aufzumachen für dringend benötigtes Wachstumskapital, das wir in diesem Ausmaß in Deutschland leichter nicht haben.

business-on.de: Sind diese Ziele denn erreicht worden?

Klemens Skibicki: Auf jeden Fall, die Reise war ein voller Erfolg und erster Meilenstein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie einen einzigen Teilnehmer der Wirtschaftsdelegation finden, der dies anders sieht. Natürlich kann man nicht erwarten, irgendwo Hallo zu sagen und direkt Millionen mitzunehmen. Einige Firmen konnten aber Interesse wecken und Folgetermine für Investitionen oder Aufträge vereinbaren. Dies ist schon ein ungeheurer Erfolg, der nur möglich war, weil man eben mit der Delegation des Vizekanzlers der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt kam und dem entsprechend offen empfangen wurde. Alle hatten die Möglichkeit, wertvolle und lang nachwirkende Eindrücke zu sammeln.

Wenn Sie mit Gründerlegenden, deren Unternehmen Milliarden wert sind zusammensitzen und die ihnen offen und klar jede Frage beantworten und Tipps geben, dann sind das einmalige Gelegenheiten.

Ich selbst konnte so viele fehlende Puzzle-Stücke im Verständnis des digitalen Zeitalters mitnehmen, aus denen unternehmerisch und wissenschaftlich noch viel Produktives entstehen wird, das auch meiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Beirat junge digitale Wirtschaft des Bundesministeriums sehr zugute kommen sollte. Ein letzter in diesem Ausmaß nicht erwarteter Erfolg, war die Intensivierung der Vernetzung der Mitreisenden untereinander. Wir haben alle diese wahnsinnig mutige und positive Atmosphäre in Kalifornien geradezu aufgesogen und gelernt, untereinander zu leben. Alle sind willens, diesen Schwung fortzutragen.

Ein mitreisender Ministerialbeamter sagte mir, dass er seit vielen Jahren bei solchen Reisen wäre und so eine mitreissende energiegeladene Stimmung noch nie erlebt hätte – besser hätte ich es nicht ausdrücken können.

business-on.de: Was ist denn nun die Erfolgsformel des Silicon Valley?

Klemens Skibicki: Da kommt einiges zusammen. Auf der einen Seite gibt es dort mit Bildunsgsinstitutionen wie der Standford University wahre Gründerschmieden. Sehr viele Studenten kommen mit dem klaren Ziel dorthin, die akademische Ausbildung in einer unternehmerischen Karriere enden zu lassen. Und genau dies wird von den Unis als gut angesehen und unterstützt.

Zudem sind unvorstellbare Mengen an Risikokapital vorhanden, das ständig neue Anlagemöglichkeiten sucht.

Die einfachen gesetzlichen Rahmenbedingungen machen es sehr leicht, dass sich Gründer und Kapital auf diesem überschaubaren Fleckchen Erde finden. Das, was man aber nicht gesetzlich beschließen kann ist dieser unbändige Wille und Glaube an den eigenen Erfolg. Jeder dort trifft auf der Straße andere, die genauso mutig und optimistisch an sich glauben und der nächste Mark Zuckerberg, Larry Page oder Steve Jobs sein wollen. Und diese Vorbilder und Erfolgsgeschichten haben sie auch ständig vor Augen, denn sie sehen diese oder deren Nachwirkungen ja an jeder Ecke. Deswegen war es sehr treffend, dass wir immer wieder hörten „Silicon Valley is not a region, it is a mindset!“

business-on.de: Jetzt sind wir ja nicht im Silicon Valley, was können wir denn in Deutschland lernen?

Klemens Skibicki: Wir müssen sicherlich unseren eigenen Weg finden. Zu schnell wird auf Berlin und das Potential der Start-up Szene verwiesen. Sicherlich zieht die Stadt in den letzten Jahren magnetisch Gründer aus Deutschland und Europa mit ihren niedrigen Kosten und dem Szene-Flair an. Das ist gut, reicht aber alleine reicht nicht aus.

Weder die korrespondierenden akademischen Einrichtungen und erst Recht nicht genug Risikokapital haben wir in Berlin. Meiner Meinung nach sollten wir als erstes versuchen, diese fehlenden Faktoren in unserer föderalen deutschen Struktur dort einzubinden, wo wir sie haben.

Dies dürfte schneller und erfolgreicher funktionieren als zentral in Berlin aufzubauen und bei unseren im Vergleich zu Amerika kurzen Wegen auch unproblematisch. Wir werden auf jeden Fall noch sehr viel mehr erklären müssen, um die „alte“ Wirtschaft mit der jungen digitalen Wirtschaft zu verknüpfen. Einerseits wird es darum gehen, Investitionskapital massiv umzuleiten und andererseits den Start-ups Kunden heranzuführen. Bei all den digitalen Playern in Kalifornien vergisst man schnell, dass dies auch ein Zentrum der alten Wirtschaftsstruktur ist, das Berlin niemals war. Die Beratungskunden meiner Firma sind vornehmlich aus dieser alten Welt und haben sich aufgemacht, die digitale Transformation ihrer Unternehmen anzugehen. Ich befürchte aber, dass deren Chefs noch zu wenige der Start-ups oder deren Geschäftsmodelle kennen.

Digitale Transformation der Wirtschaftsstruktur ist unausweichlich

Dies werden wir ändern müssen, denn die digitale Transformation unserer Wirtschaftsstruktur ist unausweichlich. Wenn deutsche Start-ups dabei unterstützen können, entsteht eine Win-Win-Situation und genau um die Förderung dieser Vernetzung wird es gehen. Eines der größten Probleme auf diesem Weg könnte sein, dass uns der Optimismus und die Chancen- statt Problemorientierung der Amerikaner in Deutschland einfach fehlt bzw. außer Landes gedrückt wird. Es darf einfach nicht sein, dass Gründer als Tipp erhalten, lieber nach Kalifornien oder Israel zu gehen. Wenn wir das nicht ändern können, dann wird es schwer. Hilfreich wäre es, wenn wir Erfolgsgeschichten hätten, die wir jungen Menschen als Vorbild zeigen können. Dies funktioniert nicht nur in Amerika – als Boris Becker Wimbledon gewann hat dies in Deutschland einen wahren Tennis-Boom ausgelöst.

business-on.de: Sie sprachen den fehlenden Optimismus an. Fehlt dieser uns auch in der Berichterstattung – das Presseecho war eher gering und nicht so positiv wie Ihres?

Klemens Skibicki: Die Berichterstattung hat meiner Ansicht nach die Bedeutung und die Erfolge dieser Reise für die deutsche Wirtschaft nicht wiedergegeben. Es ändert aber nichts an der Wichtigkeit der Weichenstellung für Deutschlands Zukunft, der wir durch unsere Reise wichtige neue Impulse gegeben haben. Wir brauchen, um im digitalen Zeitalter aufzuholen viel mehr dynamische, motivierte Menschen in diesem Lande, die sich etwas trauen und neue Wege gehen. Dies gilt für Unternehmer wie für Politiker – und einige davon sind in die USA gefahren und wollen wenigstens ein bisschen dieses Geistes ins eigene Land tragen. Es wäre besser, wenn dies durch die Medien stärker unterstützt worden wäre.

 

Sascha Zöller

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