Was bringt die Befreiung von der Rentenversicherung?
Die regulären Beiträge zur Rentenversicherung belaufen sich derzeit auf 18,6 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts und sind je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer zu tragen. Das heißt, ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer zahlt im Normalfall 9,3 Prozent seines Bruttolohns oder -gehalts an die gesetzliche Rentenversicherung.
Mit diesen Beiträgen erwerben Arbeitnehmer Rentenpunkte bzw. -anwartschaften, die die Höhe ihrer Altersrente bestimmen. Für Beschäftigte in normalen, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen gibt es in der Regel keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern.
Für sogenannte Minijobber, also Arbeitnehmer in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis mit einem Arbeitsentgelt von derzeit höchstens 520 Euro, gibt es hingegen die Möglichkeit, sich auf Antrag vom Arbeitnehmeranteil der Rentenversicherungsbeiträge befreien zu lassen. Ohne einen entsprechenden Antrag zahlen die Arbeitgeber 15 Prozent des Lohns und die Minijobber 3,6 Prozent. Diese 3,6 Prozent können auf Antrag stattdessen dem Lohn zugerechnet werden. Ob diese Möglichkeit sinnvoll ist, sollten Arbeitnehmer mit der Minijob-Zentrale und anderen Beratungsstellen erörtern.
Soll man sich bei geringfügiger Beschäftigung von der Rentenversicherungspflicht befreien?
Für geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten, also vor allem Pflegerinnen, Haushaltshilfen, Tagesmütter und Ähnliches, liegt der Eigenanteil jedoch bei 13,6 Prozent. Sie können demnach ihren Nettolohn um bis zu 70,72 Euro erhöhen. Der Arbeitgeberanteil beträgt hier lediglich 5 Prozent und wird weiter gezahlt.
Lassen sich geringfügig Beschäftigte von der Rentenversicherungspflicht befreien, zahlen die Arbeitgeber weiterhin ihre sogenannten Pauschalbeiträge und es werden weiterhin Rentenanwartschaften erworben, allerdings sind diese reduziert. Geringfügig Beschäftigte, die auf den Extralohn nicht angewiesen sind, sollten in der Regel auf eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht verzichten, da dies nicht nur die Höhe der gesetzlichen Rente, sondern auch weitere Ansprüche mindert.
Verzichten Minijobber auf die Beitragszahlung, können sie
- diese Beschäftigungszeiten nicht auf die Beitragsjahre anrechnen und müssen unter Umständen deshalb länger arbeiten
- staatliche Förderungen wie etwa für die Riesterrente nicht weiter erhalten
- unter Umständen ihre Ansprüche auf Erwerbsminderungsrente reduzieren
- Leistungsansprüche auf Rehabilitationsmaßnahmen verlieren sowie während einer Reha kein Übergangsgeld beziehen
- normalerweise gewährte Zusatzpunkte aufgrund von sogenannten Kinderberücksichtigungszeiten eventuell nicht erhalten
- ihren Anspruch auf Entgeltumwandlung fĂĽr eine betriebliche Altersvorsorge verlieren
Ein Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für geringfügig Beschäftigte sollte daher nur nach Beratung durch die Rentenversicherung oder die Minijob-Zentrale gestellt werden, da dem geringfügigen Lohnzuwachs erhebliche Nachteile gegenüberstehen können.
Wer kann sich von der gesetzlichen Rente befreien lassen?
Neben einigen Selbstständigen können sich auch Minijobber beziehungsweise geringfügig entlohnte Beschäftigte mit einem aus dieser Beschäftigung resultierenden Lohn von höchstens 520 Euro von der Rentenversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenkasse befreien lassen. Angehörige bestimmter Berufsgruppen, die bereits in ein öffentlich-rechtliches Versorgungswerk einzahlen und Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wie beispielsweise Ärzte, können sich ebenfalls befreien lassen.
Wann ist eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sinnvoll?
Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein. Für Minijobber, insbesondere solche, die in Privathaushalten beschäftigt sind, kann es sinnvoll sein, nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, wenn
- sie den Beitrag benötigen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten,
- ohnehin keine Aussicht auf eine Rente ĂĽber dem Grundsicherungsniveau besteht,
- sie nicht auf die Beitragsjahre (Wartezeiten) angewiesen sind oder
- sie anderweitig, zum Beispiel durch eine bestehende, reguläre Beschäftigung oder den Ehepartner, abgesichert sind.
Für Selbstständige ist eine Befreiung oder der Verzicht auf eine freiwillige Mitgliedschaft in der Deutschen Rentenversicherung hauptsächlich dann sinnvoll, wenn die ansonsten fälligen Beiträge ihnen im Vergleich zum erzielbaren Rentenniveau zu hoch erscheinen. Sie haben die Möglichkeit, sich alternativ privat zu versichern oder sich anderweitig Vermögen aufzubauen, welches ihnen im Alter dann zur Verfügung steht.
Für Angehörige von sogenannten Kammerberufen, wie Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater, ist die Befreiung sinnvoll, wenn das jeweilige Versorgungswerk bessere Leistungen für vergleichbare Beiträge verspricht.
Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht fĂĽr Rentner
Vollrentner, die das gesetzliche Renteneintrittsalter bereits erreicht haben und eine geringfügige Beschäftigung ausüben, sind automatisch von der Rentenversicherungspflicht befreit. Beziehen sie jedoch nur eine Teilrente oder haben das Renteneintrittsalter noch nicht erreicht, müssen sie sich trotz Rentenbezug auf Antrag befreien lassen oder zahlen weiter in die Rentenversicherung ein. Diese freiwilligen Beiträge können die bis dahin erzielten Rentenansprüche weiter anheben, also durchaus sinnvoll sein.
Wie befreien sich Selbstständige von der Rentenversicherungspflicht?
Nicht alle Selbstständigen sind automatisch von der Rentenversicherungspflicht befreit und nicht alle sind überhaupt berechtigt, aus der gesetzlichen Rentenversicherung auszuscheiden. Rentenversicherungspflichtig bleiben insbesondere Selbständige in folgenden Berufsgruppen:
- KĂĽnstler und Publizisten
- Pfleger und Hebammen
- Lehrer und Erzieher (dabei zählt die Tätigkeit der Weitergabe von Wissen, nicht die Ausbildung oder Berufsbezeichnung; als Lehrer gelten damit auch Nachhilfe- oder Fahrlehrer und unter Umständen sogar Tagesmütter)
- Handwerker in einem Handwerk mit Meisterpflicht beziehungsweise mit eingetragener Handwerksrolle (die Versicherungspflicht erlischt nach 18 Beitragsjahren)
- Seelotsen, KĂĽstenschiffer oder -fischer
- Selbstständige mit nur einem Auftraggeber und ohne sozialversicherungspflichtige Beschäftigte (früher sogenannte Solo- oder Schein-Selbständige)
- weisungsgebundene Geschäftsführer einer GmbH, auch wenn sie gleichzeitig Gesellschafter sind
Selbstständige in diesen Berufen können sich in der Regel nicht von der Versicherungspflicht befreien lassen. Da sich die Regelungen aber an den früheren Regelungen zur Scheinselbstständigkeit orientieren, kann man die Versicherungspflicht durch die Anstellung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten aufheben.
Unter diesen und weiteren Umständen können sich auch Selbstständige mit nur einem Auftraggeber von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Den entsprechenden Antrag findet man auf der Webseite der Deutschen Rentenversicherung.
Nach Gründung einer Firma können sich Existenzgründer außerdem für bis zu drei Jahre von der Versicherungspflicht befreien lassen.
Als rentenversicherungspflichtiger Selbstständiger zahlt man entweder und nur auf Antrag Beiträge auf das tatsächliche Einkommen oder Pauschalen beziehungsweise Regelbeträge von derzeit 631,47 Euro (West-Bundesländer) oder 611,94 Euro (Ost-Bundesländer).
FAQ
Im Folgenden werden einige häufig gestellte Fragen kurz beantwortet.
Gibt es ein Formular fĂĽr die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht?
Die Minijob-Zentrale bietet für geringfügig Beschäftigte und ihre Arbeitgeber ein einfaches Formular, welches im Wesentlichen die Eingabe persönlicher Daten und die Rentenversicherungsnummer des Arbeitgebers erfordert, zur Befreiung von der Rentenversicherungspflicht an.
Selbstständige, die sich von der Rentenversicherung befreien lassen wollen, müssen ein umfangreiches Formular der Deutschen Rentenversicherung nutzen und ausgiebige Angaben zu ihrer Tätigkeit und ihrem Verhältnis zu Auftraggebern machen.
Befreiung von der Rentenversicherungspflicht fĂĽr Ă„rzte?
Ärzte und andere Arbeitnehmer in sogenannten Kammerberufen (siehe oben) können auf Antrag statt in die Deutsche Rentenversicherung auch in ihre berufliche Versorgungskasse einzahlen und sich dadurch von der Beitragspflicht befreien lassen.
Seit 01.01.2023 ist dies nur noch online möglich und erfordert eine Bestätigung der Versorgungskasse, an die der Antrag zu stellen ist. Diese leitet den Antrag dann mit der Bestätigung, dass die Person Mitglied in der Versorgungskasse ist, an die Deutsche Rentenversicherung weiter, die ihn bearbeitet und bescheidet.
Sind Minijobs von der Rentenversicherung befreit?
Minijobs beziehungsweise geringfügige Beschäftigungsverhältnisse mit einem Lohn von höchstens 520 Euro sind nicht automatisch von der Rentenversicherungspflicht befreit. Auf Antrag können sich Arbeitnehmer aber von ihrem eigenen Beitragsanteil befreien lassen, während der Arbeitgeber seinen Anteil weiter leisten muss.
Fazit
Die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für Minijobs ist meistens nicht von Vorteil für den Arbeitnehmer, denn die eingesparten Beträge, um die sich der Lohn erhöhen lässt, sind oft niedrig und die möglichen Nachteile wiegen in der Regel schwerer. Etwas attraktiver ist es für Arbeitnehmer mit einer geringfügigen Beschäftigung in einem Privathaushalt, da ihr Anteil wesentlich höher ausfällt.
Für viele Vertreter der Berufe mit eigener Kammer und eigenem Versorgungswerk und Selbstständige ist die Befreiung häufig aus wirtschaftlichen oder leistungsbezogenen Gründen sinnvoll. Dabei gilt es zu beachten, dass nicht alle Selbstständigen sich überhaupt befreien lassen können.
Bildquellen:
- Befreiung von der Rentenversicherungspflicht: Foto von Mikhail Nilov: https://www.pexels.com/de-de/foto/mann-frau-laptop-buro-6963871/