„Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich immer auch eine neue.“ So abgedroschen das Sprichwort ist, welches immer dann Anwendung findet, wenn ein Ereignis trotz katastrophaler Auswirkungen eine Chance auf einen Neubeginn birgt, so sehr passt es zu den Wirrungen rund um den 17. März 2020. „Das war’s“, war Marcus Diekmanns, Geschäftsführer der Rose Bikes GmbH, erster Gedanke. Der zweite: „Wir müssen etwas für den Handel tun“. Dabei hatte seinImpuls nichts mit Sorgen um das eigene Unternehmen zu tun. Die Rose Bikes GmbH ist als „online first“-Unternehmen bereits seit vielen Jahrzehnten etabliert; rund 50.000 Produkte aus Premium-Bikes, Fahrradteilen und dem passenden Zubehör werden auf der Firmenhomepage inklusive beratender Videos und Konfigurator Tools angeboten,. Das Wachstum von Rose stand demnach für Diekmann trotz des pandemiebedingten Beschlusses, den Einzelhandel zu schließen, nicht auf der Kippe. Dennoch: „Der gesamte stationäre Handel war in Gefahr, ausgeknipst zu werden.“
business-on.de: Herr Diekmann, Sie sind seit über zwei Jahren im Rose-GF-Team, bis Dato bestehend aus Erwin Rose, Stefanie Rose und Thorsten Heckrath-Rose. Anfangs in einer Doppelfunktion als Chief Commercial Officer (CCO) und Chief Digital Officer (CDO)…
Marcus Diekmann: Von Anfang an war es klar, dass ich als Geschäftsführer einsteigen soll. Allerdings hatten wir uns gemeinsam auf ein einjähriges Testing verständigt, bevor die formale Eintragung in das Handelsregister erfolgte. Denn die Zusammenarbeit mit einem familiären inhabergeführten Unternehmen kann auch schwierig sein. Das Arrangement so aufzusetzen, war ziemlich clever – für beide Seiten (lacht).
business-on.de: Aber das „Testing“ lief erfolgreich…
Marcus Diekmann: Ja, das gemeinsame Ziel ist klar und wird von allen gemeinsam als eine Familie Rose getragen. Ich sehe mich als Teil der Folgegeneration, die mit Heinrich Rose 1907 begann und seitdem kontinuierlich weitergeführt und verbessert wird.
Ich sehe es als großes Glück, mein Hobby und meinen Beruf zu vereinen – und das mit dieser tollen Familie Rose und meinen besten Freunden Tim, Seb und Sara, die alle auch bei Rose an Bord sind. Und jetzt kommt mit Daniel Vollmer das nächste Level „It & Agil First“.
business-on.de: Sie wurden von vorne herein als Experte in Digitalisierung und Change angekündigt. Bereits bei Matratzen Concord haben Sie die digitale Transformation verantwortet und das Online-Geschäft ausgebaut, für den holländischen Bike-Produzenten „Accel“ waren sie ebenfalls als Digital-Chef tätig. Bekannt sind Sie in der Branche zudem durch ihre Agenturen „Shopmacher“ und „Kommerz“. Wo führt jetzt mit Rose Bikes die Reise hin?
Marcus Diekmann: Grundsätzlich geht es in erster Linie weniger um Expansion als um die Fortführung der bis hierhin erfolgreichen Evolutionsgeschichte von Rose. ,Unsere Versprechen an die Kunden sind: Top im Produkt, Top im Preis, Top im Service. Zwei der drei Komponenten sind mit der Auswahl an absoluten Premiummarken – unsere Eigenmarke ist da inbegriffen – sowie der Etablierung als Fachhändler mit langjähriger Erfahrung gegeben. Wer auch noch ein wettbewerbsfähiges Preisverhältnis anbieten will, der muss sich digital neu aufstellen.
Diese Entscheidung ist 2007/2008 gefallen, als Rose Bikes den Fokus auf den E-Commerce gelenkt hat. Seitdem arbeiten wir daran, zu einer echten Marke zu wachsen, was mit der Eingliederung der Agentur „Kommerz“ super gelingt. Wie wir als Marke wahrgenommen werden, ist gut über Brand Search-Entwicklung der vergangenen drei Jahre zu sehen: Während 2018 1,5 Millionen Menschen direkt nach Rose Bikes gegoogelt haben, waren es 2019 schon 2,5 Millionen User und im vergangenen Jahr dann schon fünf Millionen.
„Konkurrenz ist nur dann ein Problem, wenn Du Dich nicht weiterentwickelst“
business-on.de: Ihr Aufgabenfeld besteht darin, das Multichannel-Geschäft strategisch auszubauen. Wie sehen ihre Ziele für die kommenden Jahre aus?
Marcus Diekmann: Die Basis alle unsere gesetzten Ziele, nämlich das bedeutendste Bike Brand zu werden, war im Unternehmen schon gegeben. Nur der Durchbruch fehlte. Wir haben die vergangenen Jahre dazu genutzt, uns neu auszurichten und unsere Prioritäten zu überdenken. Wir haben unser Produktportfolio leicht reduziert. . Wir haben die Expansion von vorher 13 Ländern auf fünf Kernländer fokussiert und den Onlineshop noch weiter an den Kundenbedürfnissen ausgerichtet. Wir haben das Marketingbudget um 50 Prozent erhöht. Kurzfristig wollen wir Spitzenreiter in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Holland sein. Langfristig fokussieren wir uns auf eine stationäre Expansion, indem wir zuerst die großen Metropolregionen besetzen. Im zweiten Schritt gehen wir über die Fläche, indem wir unser Markenangebot auf neue Handelsbereiche ausweiten.
Das Fahrrad gehört zum Lifestyle, es wird zukünftig noch mehr Beachtung finden und Auswirkungen auf den Verkauf haben. Der Verkauf wird sich nicht länger nur auf den Fachhandel konzentrieren, sondern sich streuen. Ich glaube, dass in ein paar Jahren Fahrräder auch im Textilhandel oder in speziellen Werkstätten gekauft werden können.
Vor fünf Jahren war das Sportbike noch ein Nerd-Thema. Jetzt ist es das neue In. Nicht nur in Berlin holt man auf einem Gravelbike Brötchen vom Bäcker.
Vom Kunden zum Ambassador: Minubo gewinnt Marcus Dieckmann als Markenbotschafter
business-on.de: Damit wächst dann auch der Wettbewerb.
Marcus Diekmann: Natürlich. Aber dieser dient zur Motivation. Konkurrenz ist nur dann ein Problem, wenn Du Dich selbst nicht weiterentwickelst.
Für uns heißt das auch, an unserer Design-Sprache zu arbeiten. Sobald ein Produkt zum Lifestyle gehört, kannst Du als Anbieter nur mithalten, wenn Du a) an der Marke an sich und b) am Design arbeitest. Das sieht man sehr gut am Beispiel der Smartphones.
business-on.de: Markenbildung und Design. Ist das Ihre Erfolgsformel?
Marcus Diekmann: Beides geht nicht ohne Mut. Wir brauchen viel mehr Mut. Wenn sich Märkte dynamisch verändern, dann bedarf es den Mut für dynamische, manchmal krasse Entscheidungen. Für mich ist es eine der Aufgaben einer erfolgreichen Geschäftsführung. Mut zu entscheiden. Gefolgt von einem maximalen Netzwerken.
Und das hat ROSE Bikes schon immer ausgemacht, auch weit vor uns „Neuen“. Erst hat Erwin ROSE ROSE Bikes vom stationären Händler in Bocholt zu dem führenden Kataloghändler weiterentwickelt, dann hat Stefanie ROSE das Unternehmen seit 1998 vom Katalog in den eCommerce überführt, Thorsten Heckrath ROSE hat seit 2010 die Eigenmarke Bikes zum echten ROSE Brand transformiert und mi Anatol Sostmann wurde dann seit 2017 die Designsprache zu unserem heutigen konsistenten Design weiterentwickelt. Somit konnten wir darauf aufsetzen und die heutige Online-First-Omnichannel-Ausrichtung treiben.
business-on.de: Eine Ihrer Netzwerke ist die Pro-Bono-Initiative „Händler helfen Händlern“ – eine Wissensplattform, die betroffene Unternehmen organisiert und untereinander vernetzt. Dient dann das Netzwerk in dem Fall als Hilfsgruppe?
Marcus Diekmann: Ein Netzwerk hat verschiedene Funktionen. Die Gründe warum ich in so vielen Netzwerken tätig bin sind zum einen, dass ich so verhindere betriebsblind zu werden. Zum anderen lerne ich aus allen Netzwerken. Wir bei Rose Bikes brauchen so keine Berater, weil wir über das Netzwerk immer jemanden kennen, der das Problem bereits gemeistert hat. Bei „Händler helfen Händlern“ hat das denselben Grund.
Solidarität vor Profit: „Ich gewinne gerne, aber eben nur, wenn der Wettbewerb auch existent ist“
business-on.de: Startschuss für die Initiative war der ausgerufene Lockdown im vergangenen März . Dabei betonen sie selbst, dass die Rose GmbH nicht unmittelbar betroffen ist. Wie kam es dennoch zur Gründung des Netzwerks?
Marcus Diekmann: Ich gewinne gerne. Aber ich gewinne auch nur dann gerne, wenn der Wettbewerb existenzfähig ist und bleibt. Und eben die Voraussetzung sah ich stark gefährdet. Mit dem Lockdown wurde der gesamte stationäre Handelfaktisch ausgeknipst. Mir war mit dem Beschluss vom 17. März, den Einzelhandel geschlossen zu halten, sofort klar, dass ich helfen muss. Ich bin in der glücklichen Position über gute Kontakte zu Banken und auch zur Politik zu verfügen. Entsprechend ist es leicht, schnell und unkompliziert Informationen rund um Fördergelder & Co zu beschaffen. Genau das wollte ich teilen.
business-on.de: Mittlerweile sind 4.300 Händler angeschlossen. Wie lässt sich die rasante Entwicklung des vergangenen Jahres zusammenfassen?
Marcus Diekmann: Bereits zwei Monate nach der Gründung hatten wir knapp 2.000 Mitglieder in unserer LinkedIn Gruppe zusammen. Die ersten sechs Wochen kamen wir einmal die Woche zusammen, seitdem halten wir ein einwöchentliches Treffen aufrecht. Dabei bleibt unser Engagement ehrenamtlich und auch unsere Struktur hat sich nicht verändert. Wir sind kein Verband und werden es nie werden. Bei uns gibt es keine Bürokratie und vor allem keine Ego-Schlacht in Form von Rangeleien über die Frage, wer welchen Posten einnimmt. So sind kurze Entscheidungswege möglich. Wir sind eine Gruppe von Menschen, die etwas bewegen wollen. Und wir haben in den vergangenen Monaten enorm viel bewegen können.
Marcus Diekmann: Wissenstransfer ist das neue Gold der Wirtschaft
business-on.de: Immer wieder liest man von Branchenriesen, die sich der Initiative anschließen. Sind auch kleine lokale Unternehmen ein Teil des Netzwerks?
Marcus Diekmann: Das ist Bestandteil unseres Erfolgs: Unternehmen wie Tom Tailor, Intersport oder jüngst EK Bielefeld, die größte Einkaufsgruppe für Elektronikartikel mit 2.000 angeschlossenen Händlern und einem Jahresumsatz von 2,3 Milliarden Euro, sind uns angeschlossen und bieten so gegenseitige Unterstützung an. Unser Ziel ist die Existenzsicherung. Die Schockstarre muss überwunden, kreative, neue Impulse gesammelt werden. Das geht nur gemeinsam und auf Augenhöhe. Wissenstransfer, die Suche nach angepassten Lösungen, ist neben Optimismus das neue Gold der Wirtschaft. Mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) und Amazon wurde das Wissensportal „Quickstart-online.de“ ins Leben gerufen – eine E-Learning Plattform, die den noch ausschließlich stationär agierenden Händlern Knowhow in Sachen E-Commerce vermittelt. Das ebenso absolut ehrenamtlich aus der Gruppe heraus. Ergänzend bietet die Firma Shopware und deren Open-Source Community einen kostenlosen Onlineshop für alle Händler an, geschenkt für alle Zeiten. Das Projekt „Downtown“ fungiert wie eine digitale Innenstadt und bietet eine funktionale Verkaufs- und Lieferinfrastruktur für den digitalen Einstieg.
Dazu arbeiten wir in enger Kooperation mit dem Gastgeber-Kreis zusammen, einem Verbund der Gastronomie, die ähnlich „Händler helfen Händlern“ fungieren. Mit dabei sind Blockhouse, L’Osteria, Hans im Glück, Nordsee und Tim Mälzer –die ganz Großen der Branche, aber eben auch jeder der über 60.000 Mitarbeiter der einzelnen Mitglieder. Denn Handel und Gastronomie gehören gemeinsam in die Innenstadt und müssen zusammen agieren.
Das bringt eine ganz eigenständige Dynamik, die etwas verändern kann.
business-on.de: Apropos Veränderung: aktuell ist die Initiative „Händler helfen Händler“ aufgrund angedrohten Klage von Händlern und Gastronomen gegen die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes und der Einführung der bundesweiten Corona-Notbremse verstärkt medial präsent. Hauptkritikpunkt ist die ungleiche Behandlung der verschiedenen Branchen im Gesetz, die nach ihrer Einschätzung nicht gerechtfertigt seien. Wie sieht der aktuelle Stand dazu aus?
Marcus Diekmann: Wir haben die Verfassungsbeschwerde Ende Mai eingereicht, die wir mit Top-Anwälten und Verfassungsrechtlern erstellt haben… Unser Ziel ist zumindest eine Entschädigung der erlittenen Verluste. Unterstützt werden wir von zehn Mitfinanzieren, die wir aus heiterem Himmel zusammentrommeln konnten. Auch das dank der Vernetzung aus der Gruppe heraus.
Und wir stellen den Entwurf der Verfassungsbeschwerde als „Rohling“ jedem Händler gegen eine geringe Kostenpauschale zur Verfügung, sodass alle Interessenten die Vorlage auf die eigene Unternehmenssituation anpassen und dann selbst als Beschwerde beim Verfassungsgericht einreichen können.
Bildquellen:
- Marcus Diekmann im Interview: Simon Thon
- Marcus Diekmann mit Fahrrad: Simon Thon
- Marcus Diekmann und Christian Weis mit Bike: Simon Thon
- Marcus Diekmann und Christian Weis: Simon Thon
- Marcus Diekmann Interview: Simon Thon
- Marcus Diekmann auf Bike: Simon Thon
- Christian Weis mit Bike: Simon Thon
- Marcus Diekmann: Simon Thon