Fußball und Mode. Zwei Schlagwörter, die so gut wie jeden Jugendlichen beschäftigen. Stephan Timoshin hat aus dem einen ein Imperium aufgebaut und will aus dem anderen eins machen. Mit viel Geld. Auch so ein Schlagwort, das die junge, aufstrebende Generation beschäftigt. Timoshin hat davon genug. Mit gerade einmal 17 Jahren eröffnete der junge Berliner, der mit sieben Jahren aus Lettland nach Deutschland kam, seinen Sneaker-Store Vaditim im Herzen der Hauptstadt. Sein Vater, der damals noch den Mietvertrag unterzeichnete, ist immer noch eingetragener Inhaber des mittlerweile fest etablierten Kultladens, der Influencer und Fußballgrößen bedient. Timoshin gilt heute als anerkannte Größe im hart umkämpften Sneaker-Reselling-Markt, an dem so viele Einzelkämpfer und auch Unternehmen scheitern.
Angefangen hat der Entrepreneur mit 14 Jahren. Damals ergatterte er drei Paar Turnschuhe des Sondermodells von Nike Air Jordan 5 Shanghai und verkaufte sie mit einem Gewinn von 80 Euro pro Paar. Die Schuhe schaue er sich immer noch an, wenn er traurig sei, sagte er in der kürzlich abgedrehten ARD-Doku „Money-Maker“. Um sich an seine Anfänge zu erinnern und daran, was danach kam.
Das Wachstum sei expositionell gewesen. Aus dem Hobby wurde ein Millionen-Business. Mit 16 folgte eine Anzeige wegen Steuerhinterziehung. Statt „zu heulen“ gründete Stepan Vaditim. Zur Eröffnung standen 150 Paar Schuhe zur Auswahl, heute werden monatlich bis zu 4.000 Sneaker gekauft, manche davon zu einem Preis im sechsfachen Bereich. Der Sneaker-Laden machte 2022 einen Umsatz von 60 Millionen Euro. Für 2023 wird ein Wachstum von acht bis zehn Prozent erwartet (Quelle: FAZ.net).
Parallel gründete Timoshin zusammen mit Sydney Friede und Elias Nerlich das Streetwear-Label „Elevate“ und investiert regelmäßig in Startups.
Dazu eröffnete er in diesem Jahr einen zweiten Store in Zürich, weitere POS in Paris und London sind in Planung.
Aktuell sorgt er mit seiner geplanten Aufstellung zum Präsident des Berliner Fußballvereins Hertha BSC für Medienwirbel. „Ich will Hertha-Präsident werden, damit die Werte, die mir einst vermittelt wurden vom Verein, wieder gelebt werden und für alle gelten. Dass Hertha vor allem auch für eines steht: Gewalt ist keine Lösung“, sagte er der Bild in einem Interview. Zuvor hatte er sich bereits als möglicher neuer Hauptsponsor ins Spiel gebracht. Die Vereinsführung lehnte die 1,5-Millionen-Euro, die über sein Unternehmen Vaditim angeboten wurden, ab.
Stepan Timoshin: „Aufgeben ist keine Option“
Ziemlich viel Geschäftigkeit für einen 23-Jährigen. Alles Marketing oder das Portfolio eines Tausendsassas?
business-on.de sprach mit Stepan Timoshin über bisherige Herausforderungen und neue Ziele, darüber, was Erfolg für ihn bedeutet, wie er zur New-Work-Mentalität und den damit verbundenen Vorurteilen gegenüber der Gen Z steht, über Luxus, die Liebe zum Fußball und Tugenden. Im ersten Teil geht es um seine Rolle als Chef, um Verantwortung, Kontrolle und um die Frage, ob und was seine Generation zu etwas Besonderem macht…
business-on.de: Vom Schuhverkäufer zum Millionär. Wie absurd klingt das für Dich?
Stepan Timoshin: Total absurd und surreal. Ich kann es manchmal immer noch nicht so richtig glauben, was ich erreicht habe. Wahnsinn, was sich die vergangenen Jahre entwickelt hat.
business-on.de: Und trotzdem scheint ein Ende des Timoshin-Kosmos nicht in Sicht. Du scheinst nicht zufrieden. Oder ist es der Drang, sich neu zu erfinden?
Stepan Timoshin: Ich bin zufrieden. Ich ruhe mich aber nicht auf meinem Erfolg aus.
business-on.de: Vaditim heißt übersetzt „Vorwärtsgehen“ oder „Vorwegschreiten“. Was treibt Dich an, weiterzumachen?
Stephan Timoshin: Zum einen meine Familie. Zum anderen ist Aufgeben keine Option. Unter Druck habe ich schon immer am besten arbeiten können.
business-on.de: In einem Post über Linkedin hast Du kürzlich geschrieben, dass Du hohe Rücklagen bildest, weil Du dem Erfolg, den Du aktuell genießen kannst, nicht ganz traust…
Stepan Timoshin: Ich lege konsequent drei Prozent des Gewinns zurück. Bis jetzt werden wir immer größer und auch bekannter. Die Zahlen sind super. Aber ob das immer so bleiben wird oder sich auf diesem Niveau weiter nach oben entwickelt, kann keiner sagen. Es sind schon Größere als ich gescheitert. Ich habe Verantwortung, es geht hierbei also nicht nur um mich. Für Vaditim arbeiten 130 Menschen. Viele davon haben Familie. Ich würde mich einfach schlecht fühlen, wenn ich diese Menschen von jetzt auf gleich entlassen müsste, weil der Umsatz nicht mehr stimmt oder alleine, weil ich falsch kalkuliert habe. Mit den aktuellen Rücklagen könnte ich, selbst wenn alles krachen geht, die Ladenmiete und die Gehälter noch über ein Jahr weiterzahlen.
business-on.de: Du bist 23 Jahre. Andere toben sich in diesem Alter aus. Du sprichst von Verantwortung. Inwieweit ist Deine Einstellung zum Business und zu Deinen Mitarbeitern Deiner Erziehung geschuldet?
Stepan Timoshin: Der Drang nach materiellem Erfolg und finanzieller Sicherheit war bei mir schon sehr früh da. Geprägt wurde es aber natürlich auch zu einem großen Teil von meinen Eltern. Ohne Familie wäre das alles niemals möglich gewesen. Ich weiß noch, als mein Vater mir das Taschengeld gestrichen hat. Dadurch habe ich gelernt, mich selbst um Möglichkeiten zu kümmern, Geld zu verdienen und ich habe gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Vor allem aber haben mich meine Eltern Pünktlichkeit und Ehrlichkeit gelehrt.
„Wenn ich erfolgreich sein will, dann brauche ich Player um mich herum, auf die ich mich verlassen kann!“
business-on.de: Sind das auch Werte, die Du von Deinen Mitarbeitern erwartest?
Stepan Timoshin: Vor allem Ehrlichkeit. Ich schenke meinen Mitarbeitern Vertrauen und Freiraum, ihre Aufgaben so zu erfüllen, wie sie am besten arbeiten können. Zum Beispiel dürfen Sie im Bereich des Performance-Marketing komplett selbständig entscheiden, wo welcher Einsatz gespielt wird. Im Gegensatz muss ich mich voll und ganz auf sie verlassen können. Da ist Ehrlichkeit das A und O.
business-on.de: Wie würdest Du Dich als Chef beschreiben?
Stepan Timoshin: Ich bin keine One-Man-Show. Das hab ich verstanden, seitdem ich 18 bin. Wenn ich alleine meinen heutigen Arbeitstag betrachte: Über den Tag habe ich 67 E-Mails bearbeitet, zusätzlich zur Arbeit hier im Store. Jetzt schaue ich auf mein Handy und habe schon wieder 60 neue Mails erhalten. Das heißt, wenn ich erfolgreich sein will, dann brauch’ ich Player um mich herum, auf die ich mich verlassen kann. Sollte mir irgendwas passieren, dann muss das Unternehmen mitsamt seiner Ideologie perfekt weiterlaufen. Meine Mitarbeiter genießen das volle Vertrauen von mir.
business-on.de: Bist Du also grundsätzlich gegen Kontrolle und hierarchische Unternehmensstrukturen?
Stepan Timsohin: Ich sage mal so: Am Ende des Tages muss jeder Mitarbeiter selbst wissen, ob er im Unternehmen bleiben will oder raus möchte. Was ich damit meine ist, dass ich nicht jeden Schritt kontrollieren muss. Wenn der Mitarbeiter seinen Job macht, dann wird schon alles gut laufen. Wie er ihn macht, ist mir egal. Im Gespräch mit anderen Unternehmen wird oftmals die Home Office-Situation kritisiert. Da heißt es, die Mitarbeiter würden viel weniger arbeiten als im Büro. Ich denke aber, der Grund für den fehlenden Einsatz sind eher mangelnder Spaß und unbefriedigende Aufgaben. Ich versuche meine Mitarbeiter nicht einzuengen, sondern – das hört sich vielleicht banal an – möchte, dass jeder Spaß an seiner Arbeit an und sich mit der Truppe versteht. Bei uns herrscht ein tolles Teamgefühl, das soll so bleiben.
business-on.de: Gerade in Bezug auf die junge, in den Arbeitsmarkt nachrückende Generation gibt es eine Menge Vorurteile. Da heißt es, die Gen Z sei unpünktlich, faul, lethargisch und würde nur an sich selbst denken…
Stepan Timoshin: …also genau die Kritikpunkte, die man auch der Generation Y, den Millennials, vorgeworfen hat (lacht). Was soll ich sagen? Es ist genau das Gleiche. Alle Menschen haben die gleichen Fehler. Mir ist es wichtig, mir vorab ein Bild von den Mitarbeitern zu machen. Hier gibt es keine Einstellung ohne Probetag und ich unterzeichne noch jeden Arbeitsvertrag persönlich – alleine diese Woche haben wir wieder drei neue Mitarbeiter eingestellt.
Man muss den Menschen immer eine Chance geben und darauf vertrauen, dass sie gute Arbeit abliefern. Das Alter spielt dabei keine Rolle.
Das einzige, was mich ärgert, ist, wie gesagt, Unehrlichkeit. Zum Beispiel gibt es immer wieder Bewerber, die angeben, Französisch zu sprechen. Ein Pluspunkt für die Mitarbeiter hier in Zürich. Wenn ich dann aber einen französisch sprechenden Mitarbeiter bitte, sich mit dem Bewerber zu unterhalten, verstehen sie meist kein Wort.
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- Ausblick Teil 3: „Am Ende bin ich ein Berliner Junge…“ Über die Sache mit Hertha
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Bildquellen:
- Stepan Timoshin im Gespräch: Simon Thon
- Stepan Timoshin vor Sneakern: Simon Thon
- Vaditim Streetwear: Simon Thon
- Stepan Timoshin: Simon Thon