Ist der Arbeitnehmer nicht tatsächlich arbeitsunfähig/krank (Krankheit), sondern täuscht er eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit lediglich vor, ist regelmäßig eine (verhaltensbedingte) Kündigung gerechtfertigt.
Da das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber berührt ist, bedarf es im Regelfall keiner Abmahnung . Grundsätzlich dürfte sogar eine außerordentliche (fristlose) Kündigung gerechtfertigt sein (BAG, Urteil vom 26.8.1993, BB 1994, 142 = NZA 1994, 63).
Eine außerordentliche Kündigung ist grundsätzlich auch dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer die Krankheitsdaten seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu seinem Vorteil abgeändert hat, z.B. um Fehltage zu rechtfertigen (LAG Bremen, Urteil vom 15.2.1985, BB 1985, 1129).
Häufig wird der Arbeitgeber aber nicht nachweisen können, dass der Arbeitnehmer eine Krankschreibung auf unredliche Weise erlangt hat oder krankfeiert, sondern es besteht auf Grund besonderer Umstände nur ein dringender Verdacht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit lediglich vortäuscht. Ein solcher Verdacht kann z.B. dann bestehen, wenn
- ein ausländischer Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber wiederholt mitteilt, er sei in seinem Heimatland während des Heimaturlaubs oder in unmittelbarem Anschluss an den Heimaturlaub erkrankt (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.11.1983, NJW 1985, 2912 = DB 1984, 1355; zurückhaltender LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.1.1986, DB 1986, 1180) oder
- ein Arbeitnehmer während seiner Krankschreibung eine lukrative gleichartige Nebentätigkeit wie im Haupt-Arbeitsverhältnis ausgeübt hat (BAG, Urteil vom 26.8.1993, NZA 1994, 63 = DB 1993, 2534).
Außerdem hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einholen zu lassen (vgl. § 275 Abs.1 SGB V). Dabei hat der Arbeitgeber das Recht, sich ohne Einschaltung der Krankenkassen unmittelbar an den Medizinischen Dienst zu wenden, er muss lediglich die Krankenkasse informieren.
Bestehen ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, kann eine ordentliche oder sogar außerordentliche (fristlose) Kündigung unter dem Gesichtspunkt des Verdachts einer strafbaren Handlung (Betrug oder versuchter Betrug) oder einer schweren Pflichtverfehlung in Betracht kommen. Stützt der Arbeitgeber die Kündigung lediglich auf den Verdacht einer simulierten Arbeitsunfähigkeit, weil er – wie im Regelfall – die Simulation nicht nachweisen kann, sind stets die strengen Voraussetzungen einer Verdachtskündigung zu beachten (Verdachtskündigung).
Hat der Arbeitgeber zunächst eine (verhaltensbedingte) Kündigung wegen des Vortäuschens von Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen und hat das Arbeitsgericht diese Kündigung für unwirksam erklärt, ist der Arbeitgeber nicht gehindert, nachträglich eine entsprechende Verdachtskündigung auszusprechen (LAG Köln, Urteil vom 16.1.1990, DB 1990, 1337). Bei etwaigen Zweifeln, ob das Vortäuschen der Arbeitsunfähigkeit bewiesen werden kann, sollte der Arbeitgeber neben der Kündigung wegen Vortäuschens der Arbeitsunfähigkeit zugleich hilfsweise eine entsprechende Verdachtskündigung aussprechen. Besteht ein Betriebsrat , muss der Arbeitgeber darauf achten, dass der Betriebsrat in einem solchen Fall zu beiden Kündigungsgründen angehört wird.
Literatur: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 21 Rdnr. 87; Hanau/Kramer, Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, DB 1995, 94 ff; Hönsch/Natzel, Kapitel D Rdnr. 283; Hueck/v.Hoyningen-Huene, KSchG, § 1 Rdnr. 342; KR-Etzel, KSchG, § 1 Rdnr. 506 ff; Lepke, Kündigung bei Krankheit , Kapitel D VI 4, Seite 253 ff
Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit
VSRW-Verlag