“Amtliche“ Scheinrechnungen
Erst einmal eines vorweg: Bei diesen Rechnungen handelt es sich zwar um Schreiben, die aussehen wie ein amtlicher Brief. Doch es sind lediglich Scheinrechnungen, also besteht auch keine Zahlungsverpflichtung seitens des Empfängers. Irreführend ist die Ähnlichkeit mit Schreiben des zuständigen Handelsregister s (Handelsregister Definition). In Wirklichkeit kauft sich der Empfänger bei Begleichen der Rechnung in eine Internet-Datenbank ein, die völlig nutzlos ist. Diese Schreiben können also getrost dem Papierkorb übergeben werden. Wer die Rechnungen bereits bezahlt hat, kann sich gegen die Zahlung zur Wehr setzen. Der Vertrag kann wegen arglistiger Täuschung angefochten werden. Genaue Auskünfte über die Vorgehensweise kann jeder Rechtsanwalt geben, aber auch der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e. V. hilft Betroffenen weiter.
Bekannt ist diese Masche übrigens schon seit Langem unter dem Namen Adressbuchschwindel. Der Rechnungsempfänger kauft sich einen Eintrag in einem wertlosen Adressbuch – hat davon nichts und das Geld ist futsch.
Ein Beispiel
In der Firma XYZ GmbH wird ein neuer Prokurist (Definition Prokurist) vertraglich gebunden. Dieser muss namentlich im Handelsregister eingetragen werden, schließlich erhält er umfangreiche Befugnisse innerhalb des Unternehmens und gehört der Geschäftsleitung an. Die Eintragung ist im Handelsregister veröffentlicht worden und die Firma XYZ GmbH erhält nun zwei Rechnungen. Eine Rechnung lautet über „Veröffentlichung von Texten im Handelsregister“ und beläuft sich auf 392 Euro. Die zweite Rechnung spricht von „Eintragungen im Register für Gewerbe und Industrie“, wobei für die Eintragung keine Kosten anfallen. Im Kleingedruckten findet sich jedoch ein Hinweis auf die zu zahlenden Gebühren für die Bearbeitung des Formulars: 965 Euro. Angegeben wurde dazu die richtige Nummer aus dem Handelsregister, es wird ein Eintrag über eine vorgenommene Veränderung erwähnt und das Datum der Veröffentlichung wird genannt. Damit wirken die Schreiben sehr offiziell und vor allem seriös, weil schließlich die richtigen Daten verwendet wurden. Tatsächlich beinhalten die Schreiben jedoch Angebote zur Eintragung der angeschriebenen Firma in einer Datenbank. Diese ist aber völlig nutzlos. Außer Spesen nix gewesen? In diesem Fall ja, wenn Firma XYZ GmbH die Rechnungen bezahlt.
Die Rechnungen selbst sind so ausgestaltet, dass das eigentliche Angebot dahinter kaum erkennbar ist. Vielmehr wirken die Schreiben wie amtliche Rechnungen, die ihre Berechtigung haben. Wer genau hinsieht, erkennt die Unterschiede – doch wer schaut schon so genau in das Kleingedruckte?
Zielgruppen der Betrüger
Beim einstigen Adressbuchschwindel wandten sich die Betrüger an Privatpersonen. Jetzt sind die Gewerbetreibenden an der Reihe. Die Betrüger sind also um einiges dreister geworden, denn gerade in Firmen werden Rechnungen durch mehrere Stellen geprüft (Rechnungswesen, Buchhaltung, Controlling). Der Hintergrund ist der, dass es eben mehrere Stellen sind, die eine Rechnung durchläuft. Denn nicht immer sind diese gut miteinander vernetzt. Es wird gezielt ausgenutzt, dass Unternehmen in verschiedene Organisationsabteilungen gesplittet sind und dass die eine Stelle der anderen unterstellt, die „Rechnung“ bereits geprüft zu haben. Die Folge: Der Angebotscharakter des Schreibens wird übersehen („Das ist doch schon überprüft worden und hat sicher seine Richtigkeit!“) und die Zahlung wird angewiesen. Die Betrüger haben ihr Ziel also erreicht.
Die Zielgruppe sind daher vor allem größere Unternehmen. Ein-Mann-Betriebe, bei denen alles in einer Hand liegt, werden weniger häufig angeschrieben. Gern werden jedoch auch Existenzgründer als Zielpersonen ausgewählt, hier machen Betrüger keinen Unterschied zwischen den Betriebsgrößen. Es wird unterstellt, dass Existenzgründer noch nicht allzu häufig mit Behörden zu tun gehabt haben und dass sie folglich weniger skeptisch sind. Ein amtliches Schreiben flattert ins Haus? Das muss richtig sein und die Rechnung wird bezahlt. Es wird also auch hier darauf gesetzt, dass die Empfänger der gefälschten Schreiben noch unbedarft sind.
Was sagen die Gerichte dazu?
Das Amtsgericht Mannheim hat in seiner Entscheidung (hier das Urteil) festgestellt, dass die Scheinrechnungen eine arglistige Täuschung darstellen. Für diese wird der Betreiber der Datenbanken verantwortlich gemacht, in die eine Eintragung angeblich vorgenommen werden kann. Wichtig ist dabei, auf sämtliche Bestandteile der Rechnung zu achten. Sie ist so ausgelegt, dass andere Menschen gezielt irregeführt werden. Ausschlaggebend ist hier die Gestaltung des Briefkopfes, in dem in der Regel etwas von Gewerbe oder Industrie und Handelsregisterveröffentlichungen steht. Der Betreff lautet meist über die „Veränderung Ihres Handelsregistereintrags“. Im Text der Rechnung werden einzelne Auszüge des Handelsregistertextes wiedergegeben, wobei die im Einzelfall relevanten Daten (siehe oben) erwähnt werden. Dazu wird eine Belegnummer genannt, die den Eindruck erweckt, ein behördliches Kassenzeichen zu sein. Alles in allem wirkt ein solches Schreiben also sehr offiziell und wird kaum angezweifelt. Da die Zahlungsfrist sehr kurz ist, beeilen sich die Empfänger der Schreiben mit der Geldanweisung – sie wollen doch nichts unnötig verzögern! Auch darauf bauen die Betrüger und haben damit nicht selten Erfolg.
Das Gericht sieht dabei als unerheblich an, dass in dem Schreiben ein Angebot für eine Eintragung bzw. Veröffentlichung enthalten ist. Selbst im Text wird noch einmal auf das Angebot zum Abschluss eines Vertrags eingegangen, mit dem sich der Empfänger verpflichtet, den genannten Betrag im Gegenzug für die Eintragung in der Datenbank zu entrichten. Das Ganze ist so verpackt, dass der Empfänger des Schreibens nicht genau weiß, worum es sich handelt – von einer wirklichen Aufklärung über die Folgen des Vertrags kann also keine Rede sein. Durch die Gestaltung des Briefes wird laut Ansicht des Gerichts Mannheim von dem Angebot abgelenkt. Vielmehr soll die Aufmerksamkeit des Empfängers auf die Rechnung selbst gelenkt werden. Es wird zwar eine Aufklärung betrieben, diese ist jedoch so verschleiert, dass sie kaum jemand zur Kenntnis nimmt.
Die andere Seite
Die Betrüger selbst sehen natürlich nicht ein, dass es sich um eine arglistige Täuschung handelt und verweisen darauf, dass beim sorgfältigen Lesen des Briefes deutlich wird, worum es sich handelt. Sie behaupten gar, dass der Empfänger des Schreibens grob fahrlässig handele, wenn er den wahren Inhalt des Briefes nicht erkenne und könne sich somit auch nicht darauf berufen, getäuscht worden zu sein.
Die Gauner gehen also davon aus, dass jeder selbst die Schuld daran trage, wenn er Geld bezahlen müsste – er hätte doch richtig lesen können! Sie beharren darauf, das Geld rechtmäßig empfangen zu haben, denn sie haben doch in gewissem Maße Aufklärung betrieben.
Diese Erklärung ist nun sehr einfach und unternehmensunfreundlich. Das Amtsgericht Mannheim stimmt einer solchen Rechtfertigung auch nicht zu und weist die gesamte Argumentation zurück. Eine arglistige Täuschung könne auch nicht ausgeschlossen werden, wenn ein Empfänger von Werbepost fahrlässig damit umgehe und er einen Vertrag abschlösse. Dennoch handele es sich um eine Täuschungshandlung seitens des Versenders der Werbepost und um einen Irrtum aufseiten des Empfängers.
Wie mit den Scheinrechnungen umgehen?
Die Unternehmen, die eine fälschliche Zahlung vorgenommen haben, können diese anfechten, und zwar wegen arglistiger Täuschung. Die Zahlung kann zurückgefordert werden. Wer eine solche Rechnung erhält, kann sie getrost wegwerfen – dies bringt keine Nachteile und keine amtlichen Mahnschreiben mit sich. Wer sich gänzlich unsicher ist, sollte beim zuständigen Amtsgericht nachfragen und erkunden, ob Rechnungen für die Eintragungen im Handelsregister herausgegangen sind. In der Regel ist dies schon allein aus dem Grund nicht der Fall, weil bei der Beantragung der Eintragungen der Geschäftsführer persönlich erscheinen muss und direkt eine Rechnung vor Ort erhält.
Praktische Tipps
Die Mitarbeiter im Unternehmen sollten eine Rechnung sorgfältig prüfen. Dabei sind natürlich nicht sämtliche Mitarbeiter mit der Abwicklung der Zahlungen betraut, aber die Zuständigen sollten an die Möglichkeit von Scheinrechnungen denken. Geschäftsführer und andere Verantwortliche sollten im Unternehmen bekannt machen, dass derzeit Betrügereien im Zusammenhang mit Eintragungen im Handelsregister vorgenommen werden und dass erhöhte Aufmerksamkeit bei der Prüfung und Anweisung von Rechnungen geboten ist. Information ist alles und wie auch im Privatleben und den hier häufig anzutreffenden zweifelhaften Werbeangeboten sollte niemand völlig unbedarft an Rechnungen herangehen. Die Rechnungen lauten übrigens nicht in jedem Fall über solch hohe Beträge, teilweise belaufen sie sich auf unter 100 Euro – frei nach dem Motto: Kleinvieh macht auch Mist. Dafür flattern einem Unternehmen dann oft mehrere dieser Rechnungen ins Haus, wobei die Inhalte variiert werden. Generell gilt daher: Vor der Zahlung sollte unbedingt eine genaue Prüfung der Angaben vorgenommen werden. Nicht zuletzt kann das Internet hier gute Dienste leisten und wer sich unsicher ist, kann nach Erfahrungsberichten suchen. Diese fördern oft Erstaunliches zutage und schützen die Unternehmen vor vorschnellen Zahlungen.
Vor allem die Unternehmen, die gerade eine Veränderung in der Geschäftsführung im Handelsregister eintragen lassen haben, sollten verstärkt auf diese Scheinrechnungen achten. Auch Selbstständige, die ihre Existenzgründung ins Handelsregister aufnehmen lassen haben, müssen besonders wachsam sein.
Wenn die Zahlung der Rechnung bereits erfolgt ist, kann diese angefochten werden. Wichtig: Die Anfechtung muss innerhalb eines Jahres erfolgen, ansonsten sind alle Ansprüche verwirkt. Der gezahlte Betrag kann zurückgefordert werden. In vielen Fällen ist allerdings der Weg über den Anwalt nötig. Teilweise kommt es zur Klage, die jedoch – basierend auf der Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim – von Erfolg gekrönt sein dürfte.
Fragen und Antworten zum Handelsregistereitrag
Wann ist ein Handelsregistereintrag notwendig?
Der Eintrag in das Handelsregister ist für Kapitalgesellschaften, die OHG und für Kaufleute verpflichtend. Darüber hinaus gibt es Umsatzschwellenwerte, die bei mehreren Hunderttausend Euro pro Jahr angesetzt sind. Auch das Kapital und die Anzahl der Geschäftsvorgänge haben einen Einfluss darauf, ob eine Eintragung in das Handelsregister notwendig ist. Kleingewerbetreibende und Freiberufler müssen sich prinzipiell nicht ins Handelsregister eintragen lassen.
Was kostet ein Handelsregistereintrag?
Die Kosten für einen Handelsregistereintrag fallen für die notarielle Beglaubigung und die Gebühren für das Amtsgericht an. Wie hoch die Kosten im Einzelfall sind, hängt vom Geschäftswert des Betriebes ab. Dieser ist wiederum vom Betriebsvermögen abhängig. Eine genaue Übersicht der Kosten findet man auf den Seiten des Bundesjustizministeriums (Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit).
Wie lange dauert die Eintragung ins Handelsregister?
Wenn alle Unterlagen vollständig sind und kein Grund zur Beanstandung besteht, erfolgt die Eintragung in einem Zeitraum von drei bis fünf Tagen. Der anfallende Kostenvorschuss wird in diesem Fall direkt an die Gerichtskasse gezahlt.
Wie wird ein Handelsregistereintrag gelöscht?
Eine Firma erlischt durch Geschäftsaufgabe, Herabsenkung des Handelsgewerbes auf einen nicht kaufmännischen Betrieb oder bei der Änderung des Handelsgewerbes in ein freiberufliches Unternehmen. Voraussetzung für das Erlöschen der Firma ist die notariell beglaubigte Einreichung des Löschungsantrags beim zuständigen Amtsgericht-Registergericht (§ 31 Abs. 2 HGB).
Frage: Muss man auf die Scheinrechnungen antworten?
Antwort: Wenn es sich um eine betrügerische Rechnung handelt, können Sie sie ignorieren und in den Papierkorb werfen.
Frage: Warum werden Gewerbetreibende und Startups immer häufiger Opfer?
Antwort: Die Kriminellen nutzen die mangelhafte Kommunikation zwischen den Abteilungen aus. Oft gehen Mitarbeiter bei einem Schreiben nämlich davon aus, dass es schon an anderer Stelle geprüft wurde und seine Richtigkeit hat. Zudem nutzen die Betrüger den Umstand aus, dass Jungunternehmer noch nicht viele Erfahrungen mit offiziellen Schreiben haben und deshalb darauf hereinfallen.
Frage: Ist die Überweisung des Betrags eine fahrlässige Handlung?
Antwort: Nein! Das Bezahlen des Betrags ohne sorgfältige Prüfung ändert nichts am Straftatbestand der arglistigen Täuschung.
Frage: Wie kann man sich schützen?
Antwort: Klären Sie Ihre Mitarbeiter frühzeitig auf, wenn gehäuft Betrugsfälle auftreten. Auf diese Weise sensibilisieren Sie sie auch gleich, wenn es in Zukunft zu ähnlichen Fällen kommt.
Christian Weis